domingo, 27 de septiembre de 2009

HARNONCOURT 4: STABAT MATER, de DVORÁK

Mich kümmert das nicht mehr (5/2007)

Nikolaus Harnoncourt conducts Chorus and Symphony Orchestra of the Bayerischer Rundfunk: Dvorák's Stabat Mater in the Munich Herkulessaal. Caused by this event, Markus Thiel interviewed the conductor beforehand.

Münchner Merkur, May 24, 2007

Drei Kinder Dvoráks starben in der Entstehungszeit des Stabat Mater. Inwieweit hat das die Komposition beeinflusst?

Eigentlich sträubt sich bei mir alles, wenn man Biografie und Werk verquickt. Der wirkliche Profi komponiert nicht die Magenverstimmung seiner Frau. Natürlich benützt ein Künstler emotionale Erfahrungen. Aber wenn ich in einem Werk „Ich“ höre, ist es für mich nicht mehr interessant. Berlioz empfinde ich zum Beispiel als unangenehm autobiografisch. Was ich bei Dvorák spüre, ist ein sehr starkes religiöses Element.

Was teilt sich in diesem Stück über seinen Glauben mit, wenn man es mit geistlichen Werken von Schubert oder Beethoven vergleicht?

Beethoven gilt als Freigeist, der Ordnungen abgelehnt hat. Das stimmt gar nicht. Der niedere Klerus war ihm halt, wie vielen damals, zu engstirnig. Bei ihm spüre ich eine Explosivität in der Auseinandersetzung mit dem Glauben, das finde ich bei Dvorák nicht. Maria wird als Frau und in ihrer Beziehung zum Kind dargestellt. Die Identifikation mit dem Leiden dieser Frau, ein zeitloses Thema, wird dabei noch verstärkt.

Bei „Paradisi Gloria“, der Vision des Paradieses, gipfelt sich die Musik am Ende auf. Misstraut Antonin Dvorák diesem Triumph?

Es ist kein Triumph. Es erinnert mich eher an slawische Kirchenmusik mit ihrem Pathos. Ich höre da so ein ostkirchliches Dröhnen. Wie ein Lichtstrahl. Mir fällt da das Hauptbild des Isenheimer Altars ein, der für ein Siechenhaus gemalt wurde. Bei der Öffnung des letzten Flügels mit seinen Lichtvisionen haben seinerzeit Heilungen stattgefunden. Die Leute sind in Ekstase gefallen. Ich habe dem Chor gesagt, dass mit den Worten „Paradisi Gloria“ die Stimme plötzlich heller werden muss.

Sie gelten als einer, der Komponisten von falsch Verstandenem befreit. Was gibt's bei Dvorák zu tun?

Dvoráks Inspiration versiegte nie. Wenn der was komponierte, stand er in einer Dusche von Einfällen. Was ihm für geringste Anlässe einfiel, reichte bei einem anderen für fünf Symphonien. Diese Leichtigkeit der Erfindung hat ihm wohl den Ruf der Oberflächlichkeit eingetragen. Nehmen wir die „Slawischen Tänze“. Die werden dauernd als Zugabe gespielt. Einmal geprobt, dann raus damit. Wenn sie das so hören, dann hören sie nur die Kruste. In Wirklichkeit beschreibt das eine Wanderung durch die slawische Welt. Wahnsinnig schwer zu spielen!

Wenn man geistliche Werke allgemein betrachtet: Wie kann es sein, dass die Matthäus-Passion am Karfreitag voll ist, während die Kirchen immer leerer werden? Wer hat da was falsch gemacht?

Dieses Vollsein der Passion ist mir verdächtig. Vor allem wenn man sie ihrer Religiosität und Zeitgebundenheit entkleidet und sie nur mehr ins Ästhetische wendet. Wenn Kirchen leerer werden, heißt das nicht, dass die Sehnsucht nach Spiritualität abnimmt. Die zeigt sich doch an den unmöglichsten Stellen. An Astrologie, an Esoterik, an Traumdeutung. Die ganze Rationalität der heutigen Menschen bricht zusammen in den blödsinnigsten, nebulösesten Überzeugungen. Man sucht in den entlegensten Gegenden irgendwelche Gurus oder Schamanen, um die Religiosität der eigenen Gegend zu vermeiden.

Aber auf irgendeinen fruchtbaren Boden trifft doch die geistliche Musik.

Das ist so eine Sehnsucht. Und darin liegt eine Hoffnung. Auch wenn ich sonst pessimistisch bin, was die Entwicklung der menschlichen Geistigkeit betrifft. Ich begreife mich in solchen Aufführungen nicht als Ersatzpriester. Aber eine Übertragung von Inhalten, die auf eine eigene Erlebnisfähigkeit trifft, sollte erfolgen. Nur wird die immer weniger, auch das Basiswissen.

Dann muss sich die Rolle des Interpreten verändern. Ein wenig müssten Sie den Ersatzlehrer geben.

Es scheint so. Weil ich in den Proben den Musikern viel erkläre, meinen die oft: Dasselbe müssen Sie auch dem Publikum sagen. Dann tue ich das, offenbar mit Erfolg. Lieber wäre mir's schon, ich könnte darauf verzichten. Ich will ja nicht seminarhaft werden. Im Grunde macht dies das Erleben von Kunst unmöglich. Musik ist eine Kunst des Unaussprechbaren.

Vielleicht sollte man über andere Konzertformen nachdenken. Wie sieht denn ein Abo-Konzert in 50 Jahren aus?

Die Art des Konzertablaufs - da kauft man sich eine Karte, setzt sich in eine Reihe und geht sozusagen mit einem Paket Musik bereichert nach Hause­, so was hat ja einen Teil der Kunstinteressierten ausgeschlossen. Das ist ein Ergebnis des bürgerlichen Musiklebens. Zuvor, durch häusliches Musizieren, vor allem aber durch das ständige Musikhören in den Kirchen, waren solche Erlebnisse nicht schichtspezifisch.

Dann ist es vielleicht doch nicht so dumm, dass man den Menschen entgegenkommt mit drei oder zehn Tenören.

Das ist ganz übel. Das Bedenkliche ist außerdem der Qualitätsverfall, die Simplifizierung in der U-Musik. Gerade die Mehrstimmigkeit ist eine Errungenschaft unserer abendländischen Kultur. Inzwischen fallen wir ins Frühmittelalter zurück. Nehmen Sie eine Melodie von Hildegard von Bingen plus Rhythmusgerät, fertig ist der Song.

Und was die Vermittlung betrifft: Meinen Sie nicht, dass bei „Manon“-Open-Airs mit Anna Netrebko doch ein paar Menschen an der Klassik hängenbleiben?

Natürlich, aber sie bleiben kleben wie bei einer sehr gut gemachten Werbung. Bedenken Sie, welche Stücke manchmal ausgewählt werden! Jüngst hat der ORF Donizettis „Regimentstochter“ aus der Wiener Staatsoper übertragen. Ich halte das nicht einmal für aufführenswert. Bevor man sich an die „Regimentstochter“ macht, sollte man sich um den kompletten Offenbach kümmern. Der ist hunderttausend Mal besser. Mist, dargeboten von Spitzenleuten, da versink' ich doch in der Erde.

Ihr Kollege Christian Thielemann setzt bei den hiesigen Philharmonikern auf ein absolutes Standard-Repertoire, und die Leute kommen.

Das ist grundsätzlich positiv. Aber man muss auch dafür sorgen, dass man etwas dranhängt, dass also die Erfahrungs- und Erlebnishorizonte erweitert werden. Manchmal kommt mir das Musikleben wie ein Baum vor. Aus den Wurzeln, am Boden sprießt es grün. Aber der Baum ist fast abgestorben, was wir sehen, sind Paniktriebe. Eine Euphorie vor dem Tod.

Warum ziehen Sie sich eigentlich aus der Oper langsam zurück?

Vergessen Sie nicht mein Ablaufdatum. Ich mache 2008 Schumanns „Genoveva“, außerdem Strawinskys „Rake‘s Progress“ und in Graz Mozarts „Idomeneo“, den ich auch selbst inszeniere.

Da werden einige sagen: Warum muss er jetzt auch noch Regie führen?

Das ist mir schon klar. Aber ich habe noch nie eine Produktion erlebt, wo das Stück wirklich aufgeführt wurde. „Idomeneo“ steht in der französischen Tradition und ist etwa Rameau verwandt. Es ist Mozarts missverstandendste Oper. „Opera seria“? Das ist lächerlich. Und Schimpfe kriegen für meine Inszenierung: Ich bin bereits im kanonischen Alter, mich kümmert das nicht mehr.

HARNONCOURT 3: Tengo forma de huevo.

Ich bin eiförmig“ (6/2007)

Nikolaus Harnoncourt eröffnet heute mit Beethoven die
„styriarte“. Ein Gespräch mit dem
77-jährigen Stardirigenten über Musiker und Mörder, Kinder und Kunst, Fußball und Sonnenhüte.

Ernst Naredi-Rainer & Michael Tschida, June 22, 2007

Wir trafen Nikolaus Harnoncourt nach einer Probe in der Grazer List-Halle. Der ORF hatte sein Interview mit dem Maestro gerade abgedreht.

NIKOLAUS HARNONCOURT: Kamera läuft nicht mehr, ich kann also ein Zuckerl in den Mund nehmen?

Kein Problem, das sieht und hört man in der Zeitung nicht . . . Für Sie gehört übrigens angesichts der Hitze der Mandl-Kalender umgeschrieben. Regel: „Zieht der Harnoncourt ins Land, kommt der Sommer angerannt.“ Sie schwitzen hier beim Proben für das Eröffnungskonzert der „styriarte“: Zwei Ihrer drei Programme widmen Sie Werken Ludwig van Beethovens. Welche Persönlichkeit war er?

HARNONCOURT: Ich habe keine Ahnung, ich kann mir kein Beethoven-Bild machen. Ich glaube nicht, dass es angenehm war, bei ihm Dienstbote zu sein – er war bestimmt kaum zufrieden zu stellen, dürfte aber andererseits ein weites Herz gehabt haben. Ein großer Künstler muss kein lieber, fantastischer Mensch sein, er kann auch unangenehm sein. Einem Beethoven, Mozart, Gesualdo oder Caravaggio muss man das alles aber verzeihen.

Gesualdo und Caravaggio, die Mörder waren?

HARNONCOURT: Wir sind ja heute Pharisäer mit dem, was wir verzeihen und was nicht. Für mich ist ein Caravaggio oder Beethoven sein Werk. Das Staunen über die Begegnung mit der Person will ich mir aufheben, wenn ich so jemanden wirklich treffe.

Von Bruckner haben Sie gesagt, er sei vom Himmel gefallen. Ist Beethoven auch so unbegreiflich?

HARNONCOURT: Ein großer Künstler ist unbegreiflich. Wir lecken alle an der großen Kunst, aber wir kommen nur bis zu den Waden der Künstler. Was oberhalb ist, ist für uns unbegreiflich.

Nun haben Sie aber als Interpret den Vorteil, weiter zu lecken als der unbefangene Zuhörer. Kann sich dieser so etwas Komplexem wie Beethoven nähern? Braucht man dazu unbedingt Bildung?

HARNONCOURT: Es hilft sehr. Die Überlegungen der Musiker und Theoretiker am Pariser Conservatoire spiegelten seinerzeit die Ideen der Französischen Revolution wider. Das Postulat hieß: Auch ein Hirte von der Alm muss ergriffen sein von Musik, selbst wenn er vorher noch nie mit ihr in Berührung kam. Ich bin nicht dieser Meinung. Die abendländische Musik hat mit dem Beginn der Mehrstimmigkeit eine Kompliziertheit bekommen, die als Sprache verstanden werden will.

Aber neben dem Hirn zählen wohl auch Herz und Bauch, oder?

HARNONCOURT: Natürlich hat große Musik immer auch emotionalen Anteil, so dass jeder reich beschenkt heimgeht. Aber verstanden werden will die Musik. Das rührt an eine meiner Hauptverzweiflungen: Kinder haben ein Recht darauf, Lesen, Schreiben, Rechnen zu lernen, um im Leben bestehen zu können. Aber zur Persönlichkeitsentwicklung gehört unbedingt die Kunst. Dass das in den letzten beiden Generationen leichtfertig weggeworfen wurde, halte ich für unverzeihlich.

Kann die derzeit diskutierte Gesamtschule zu einer Aufwertung der kreativen Fächer führen?

HARNONCOURT: Die Hoffnung habe ich, aber sie wird von den Fakten nicht sehr genährt. Das Ziel der Bildung ist ja heute nicht ein reifer Mensch, sondern einer, der so schnell wie möglich funktioniert und seine Fähigkeiten gewinnbringend einsetzen kann.

Bleiben wir beim Bild des Hirten: Das Eröffnungskonzert der „styriarte“ wird heute als Klangwolke im ganzen Land übertragen, auch auf dem Dachstein-Gletscher. Motto: „Klassik für alle“. Aber brauchen alle Klassik?

HARNONCOURT: Auf jeden Fall. Sagen wir so: Alle sollen Klassik brauchen, die gesamte Kunst.

Ist die Klangwolke eine Chance, Leute zu erreichen, die sich sonst überhaupt nicht für Klassik interessieren und – sagen wir – sonst nur ins Fußballstadion gehen?

HARNONCOURT: Das kann ich nicht beurteilen. Ich plädiere dafür, dass der Stellenwert der Kunst schon in der frühkindlichen Erziehung vollkommen gleichwertig mit den praktischen Fächern sein muss. Als Recht, seine menschliche Rundheit zu bilden.

Wie rund sind Sie geworden?

HARNONCOURT: Eben auch nur eiförmig. Aber natürlich wurde ich durch die Musik reich beschenkt,

Könnte man Sie umgekehrt in ein Fußballstadion locken?

HARNONCOURT: Meine Mutter war eine leidenschaftliche Fußballanhängerin, sie hat zum Beispiel alle Fußballer des GAK seit der Gründung bis etwa 1935 gekannt.

Aber das Fußballgehen hat sie Ihnen nicht mitgegeben?

HARNONCOURT: Eher meinen Geschwistern. Mein Großvater war übrigens Gründungsmitglied des GAK. Ich finde es sehr witzig, wenn sich jemand für Sport interessiert, das ist eine gute Sache.

Ein Sport war ja auch das Ringen um die Staatsopern-Direktion. Haben Sie das mitverfolgt?

HARNONCOURT: Ja, ein bisschen. Dominique Meyer und Franz Welser-Möst scheinen sehr gut zu sein. Aber es wartet eine schwere Aufgabe auf sie, dort ist ja auch unheimlich viel verpatzt worden. Wenn man nur darauf schaut, dass das Haus voll ist, gehen halt andere Sachen verloren.

Was konkret?

HARNONCOURT: Naja . . . da müssen Sie andere Leute fragen.

Denken Sie an ein Comeback an der Staatsoper?

HARNONCOURT: Nein.

Warum kombinieren Sie heute in der List-Halle die berühmte 5. Symphonie Beethovens mit seiner selten gespielten Messe in C-Dur?

HARNONCOURT: Sie sind praktisch zugleich komponiert. Ich stelle mir vor, dass Beethoven an einem Tisch die Partitur der Symphonie hatte und an einem anderen Tisch jene der Messe. Wenn er von wilden Verzweiflungsgedanken überwältigt wurde, hat er sich auf die Symphonie gestürzt; für das Lyrische hat er an der Messe weiter geschrieben. Fast alle Komponisten erarbeiten zwei konträre Werke gleichzeitig.

Können Sie in der 5. Symphonie noch Neues entdecken?

HARNONCOURT: Ich habe bis jetzt nicht verstanden, worum es in den ersten drei Sätzen geht. Das Finale ist das einzige Stück, in dem Beethoven agitatorisch ist und quasi Freiluftmusik schreibt. Er tritt damit quasi auf einen Balkon und sagt einer Menschenmenge etwas Grandioses, Herrliches. Wie sehr die anderen Sätze damit zusammenhängen, ist mir jetzt erst klar. Im Finale geht es um eine Befreiung und einen Triumph. Er führt Instrumente ein, die bisher in der Symphonie nicht verwendet worden sind: Posaunen, ein typisches Freiluftinstrument, die Piccoloflöte und das Kontrafagott. Ich bin der Meinung, es geht um das Leben unter Tyrannei und wie man sich daraus befreien kann. Die drei berühmten Schläge am Anfang des ersten Satzes sind sicher ein verzweifeltes Rütteln an Ketten. Auf die Idee, dass hier das Schicksal klopft, würde ich nie kommen. Meines Wissens ist es das einzige wirklich politische Stück, das Beethoven je geschrieben hat.

Wie deuten Sie den 2. Satz?

HARNONCOURT: Der 2. Satz ist ganz sicher ein Gebet. Da sind einige Gebetsformeln drinnen. In der Unterdrückung ist das Gebet etwas sehr Natürliches, um sich Hoffnung zu holen.

Floss Beethovens persönliche Situation in sein Werk ein?

HARNONCOURT: Ich trenne Biographie und Werk peinlich. Beethoven komponierte ja nicht biographisch, konnte die furchtbarsten Sachen erleben und witzige Stücke schreiben.

Spielt Beethovens Ertaubung eine Rolle in seinem Komponieren?

HARNONCOURT: Überhaupt keine. Beethoven hat seine Werke im inneren Ohr gehört. Die Stücke, die er in voller Taubheit komponiert hat, sind perfekt instrumentiert.

Wäre es für Sie das Schlimmste, das Gehör zu verlieren?

HARNONCOURT: Ich glaube nicht. Ich bin auch ein Augenmensch und hätte dann sicher andere Interessen. Mein Leben ist reich an Musik gewesen, das wäre nicht das Ende der Welt.

Darf man aus Ihrem Prinzip, nur Meisterwerke zu dirigieren, den Schluss ziehen, dass Sie Beethovens C-Dur-Messe und sein Oratorium „Christus am Ölberg“ für Meisterwerke halten?

HARNONCOURT: Klar, kein Zweifel.

Warum haben Sie dann die C-Dur-Messe nie zuvor dirigiert?

HARNONCOURT: Die Zahl der Meisterwerke geht weit über das hinaus, was Musiker leisten können.

Was schätzen Sie an der C-Dur-Messe besonders?

HARNONCOURT: Die zwei Komponisten, die drei Worte „Kyrie eleison, Christe eleison“ am reichsten auslegten, waren Haydn und Beethoven. Ein innigeres „Kyrie“ als jenes der C-Dur-Messe ist kaum denkbar.

Wie die C-Dur-Messe wird auch Beethovens Oratorium „Christus am Ölberg“ selten aufgeführt.

HARNONCOURT: Die Menschen heute sind ziemlich arrogant in der Beurteilung dessen, was gut ist und was nicht. Die Beurteilung der Kunst einer anderen Zeit gehört zum Schwierigsten. Für mich ist „Christus am Ölberg“ wegen des Textes problematisch, damals war er es überhaupt nicht. Beethoven war sehr empfindlich bei Texten und hat ein für ihn verfasstes Opernlibretto von Franz Grillparzer nicht komponiert.

Im Lift des Wiener Musikvereins hat Ihnen Ihre Frau einmal nach einer Aufführung den Strohhut aufgesetzt und Sie haben gesagt: „So, jetzt bin ich bereits auf Urlaub am Attersee.“ Wann beginnt bei Ihnen der Attersee in Graz?

HARNONCOURT: Nach der „styriarte“ sind wir natürlich wieder daheim in St. Georgen, da habe ich ja alle meine Sachen. Und dann gibt es noch zwei Wochen, in denen ich gar nichts dabei habe.

So richtig vorstellen kann man es sich nicht, dass Sie auf der faulen Haut liegen.

HARNONCOURT: Ich gehe viel spazieren. Früher waren meine Frau und ich oft Bergsteigen und unternahmen große Touren.

Es gibt für Sie also auch eine Zeit ohne Partituren?

HARNONCOURT (lacht): Ohne Partituren, ja. Aber mit Büchern

HARNONCOURT 2

Wie aktuell Bach ist, hat lange niemand geahnt. Nikolaus Harnoncourt ist ein Pionier der „historischen Aufführungspraxis“. Jetzt werden die ersten Einspielungen des „Alten Werks“ wieder veröffentlicht. Ein Gespräch über die Kriegsgeneration, den Klang und die “Knödeltheorie“.

Von Axel Brüggemann, November 13, 2007

Der Rückzugsort der Harnoncourts ist ein lebendiges Museum: Im Musikzimmer horten der Dirigent Nikolaus Harnoncourt und seine Frau, die Geigerin Alice, Instrumente, die sie auf Dachböden gesammelt, in Klöstern gefunden oder geschenkt bekommen haben. Lang Lang war auch schon mal zu Gast - er hat beim Flügel der Schubert-Zeit gleich die Pedale durchgetreten. „Historische Aufführungspraxis“ ist eben etwas für Feingeister. Bei Kaffee und Keksen ging es um alles: die Musik und das Leben.

crescendo: Herr Harnoncourt, Sie haben gleich nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen, sich für alte Musikinstrumente und Musik zu interessieren. Für große Orchester war das damals undenkbar. Sie waren ein Revolutionär, der die Erneuerung der Gegenwart durch das Wissen um das Alte suchte. Mit Ihrer Musik haben Sie eine Gesellschaft verunsichert, die nichts mehr suchte als Sicherheit.

Harnoncourt: Das ist ja das Tolle an Kunst, dass sie auch nach Jahrhunderten noch beunruhigen kann - und das wollten wir natürlich auch. Ich selbst bin ja ein echtes Kriegskind. Der Krieg endete ein oder zwei Wochen vor meiner Einberufung zum Militär. Ich hatte schon das Gesuch eingereicht, in dem ich mich direkt aus den Alpen für die Kriegsmarine beworben hatte, damit ich nicht zur Waffen-SS komme. Aber bevor die Antwort kam, waren die Amerikaner bereits da. Tatsächlich habe ich mich in dieser Zeit oft gefragt, was mit den Millionen zerstörten Menschen passiert, die aus dem Krieg kommen und den kaputten, desillusionierten Leben zu Hause. Ich habe die Flüchtlinge miterlebt, die neuen Gesichter an den Schulen. Es war so viel kaputt in jedem einzelnen Leben, dass fast jeder das hemmungslose Vergnügen oder eine bürgerliche Normalität gesucht hat. Eine Sehnsucht, die übrigens alle Schichten betraf. Ich glaube, nach sechs Jahren Krieg und dem Desaster des Nationalsozialismus muss man den Menschen ihre exzentrischen oder auch spießerhaften Sehnsüchte teilweise nachsehen, ihren Wunsch nach Sicherheit und Biederkeit. Später kann man darüber lächeln, aber diese Stimmung hatte natürlich ihre Geschichte.

crescendo: Wie haben Sie persönlich diese Zeit empfunden?

Harnoncourt: Ich erinnere mich genau, dass ich mir damals ernsthaft Gedanken darüber gemacht habe, ob ich überhaupt töten dürfte. In einer Zeit, in der das Töten allgegenwärtig war und alle gesagt haben, dass es sein müsste. Aber ich habe mich als 16jähriger tatsächlich gefragt, ob es nicht besser wäre, getötet zu werden, statt selbst zu töten. Ich glaube, diese Frage haben sich damals die meisten 16jährigen gestellt. Und ich bin sicher, dass meine grundsätzlich kritische Lebenshaltung durch diese Ausgangssituation bestimmt wurde, dadurch, dass ich ein echtes Kriegskind bin.

crescendo: Musik hat ja immer zwei historische Orte: Die Zeit ihrer Entstehung und die Zeit, in der sie gespielt und zu neuem Leben erweckt wird. Sagt die Interpretation eines Werks eigentlich mehr über die Zeit, in der es geschrieben wurde aus oder über die Zeit, in der es gespielt wird?

Harnoncourt: Ich glaube, beide Momente sind wesentlich: das eine ist das Fixum, das andere bewegt sich ständig. Erst in der Spannung aus Vergangenheit und Gegenwart entsteht Interpretation.

crescendo: Es ist also selbstverständlich, dass sich Werke mit der Zeit wandeln?

Harnoncourt: Ich habe Beethovens Fidelio bei der Machtübernahme der Nazis gehört, bei der Befreiung von den Nazis und später in der Ostzone, bei der Wiedereröffnung der Staatsoper in Berlin. Und eigentlich habe ich all diese drei Aufführungen nur als Terror erlebt. Ich habe gespürt, dass ein Stück, das eine vollkommen andere Idee hat, dauernd umgedeutet wurde: Im Zentrum stand stets die Befreiung von der Tyrannei. Und als Tyrannei wurde definiert, was die herrschenden Machthaber selbst angefeindet und bekämpft haben. Natürlich war der Fidelio der Nazis ein Fidelio, der die Nazis etabliert hat. Der Fidelio der Nachkriegszeit einer, der die Welt von den Nazis befreit hat. Und ich habe alle schrecklich gefunden! Weil ich keinen Fidelio darüber gesehen habe, wovon er meiner Meinung nach tatsächlich handelt: von dem, was ein Mensch bereit ist, für den Geliebten zu tun. Für mich ist Fidelio eine ganz private Oper über die Liebe. Die Gefangenen werden von Beethoven nur als Staffage benutzt, weil sich eine derartige Not wie die des Florestan nicht anders darstellen lässt. Aber kaum jemand hat daran gedacht, dass diese Gefangenen nie befreit, sondern sofort wieder eingesperrt werden. Für mich hat Fidelio mit Gefangenheit und Befreiung nur peripher zu tun, und trotzdem haben sich alle Machthaber und Befreier dieser Oper bemächtigt. Und ja, ich glaube, das sagt in diesem Fall mehr über die Zeit der Interpretation als die der Schöpfung aus.

crescendo: Eine Grundidee Ihres Orchesters, des Concentus Musicus, war das Spiel auf alten Instrumenten als modernes Klangerlebnis. Aber die Gründung war ja nicht irgendeine Orchestergründung. Sie haben einen Gegenpol zum etablierten Musikgeschäft der großen Orchester eröffnet.

Harnoncourt: Was lustiger Weise nur möglich war, weil ich auch am „normalen“ Musikleben teilgenommen habe. Mein Job als Cellist bei den Wiener Symphonikern hat mir die finanzielle Basis für die Forschung und für das Neue gegeben. Man muss allerdings auch sagen, dass es uns schon als Studenten nicht allein um die Musik ging. Wir haben uns grundsätzlich für die Bedeutung der Kunst im Leben interessiert.

crescendo: Musik also eher als Teil des Gesamtkomplexes Kunst und als integraler Bestandteil des Lebens?

Harnoncourt: Inzwischen frage ich mich oft, ob das, was wir damals gemacht haben und was ich bis heute treibe eigentlich Arbeit ist. Ich würde heute gern noch einmal meine Abiturarbeit, die ich 1948 geschrieben habe, lesen, denn das Thema war: „Was bewegt den Menschen zur Arbeit?“. Ich habe mir die Fragestellung aus drei Themen ausgewählt und eigentlich das Gegenteil von dem geschrieben, was mein Lehrer erwartet hat - trotzdem musste er mir ein „sehr gut“ geben. Für mich ist diese Frage heute wieder ganz aktuell: Was ist das eigentlich für eine Arbeit, die ich mache? Es ist schon merkwürdig, dass die profane Arbeit, die ich acht Stunden lang am Tag verfolge, mit unserer „Arbeit“ unter einem Wort subsumiert wird. Eigentlich ist das rein sprachlich gar nicht zu akzeptieren: Der eine will unbedingt aufhören zu arbeiten, und der andere denkt gar nicht daran, er arbeitet, bis er tot umfällt. Ich erzähle das, weil diese frühe Auseinandersetzung mit dem Wort Arbeit vielleicht mitentscheidend für meinen weiteren Weg war, weil er Ihre Frage nach dem etablierten Musizieren, der Arbeit mit Musik und unserer Begeisterung beantwortet.

crescendo: Sie sind diesen Weg nicht allein gegangen, sondern mit Freunden und mit ihrer Frau.

Harnoncourt: Ich habe meine Frau am ersten Tag an der Akademie getroffen. Ich kam damals als eine Art Provinzdepp an, und sie war ein Star der Wiener Musikhochschule. Ziemlich schnell haben wir einen kleinen Musizierkreis gebildet, mit dem wir in Museen oder zu Architektur-Wanderungen aufgebrochen sind. Uns hat gestört, dass ausgerechnet in der Musik alles, was vor Mozart lag, schlecht geredet wurde. Von unserem historischen Wissen sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass das so nicht stimmen konnte. Also haben wir die Bibliothek der Wiener Musikhochschule leer gelesen und leer gespielt. Dabei sind wir darauf gekommen, dass die alten Instrumente anders klingen. Das kunsthistorische Museum in Wien beherbergt eine der bedeutendsten Sammlungen alter Musikinstrumente, zum großen Teil stammt sie noch von den Habsburgern. Die Direktoren waren damals so tolerant, dass sie uns die Vitrinen geöffnet haben und uns spielen ließen. Ich habe wahrscheinlich auf jedem Streichinstrument gespielt, und die Bläser von uns auf jedem Blasinstrument. Mit 20 Jahren habe ich also gewusst, wie ein Instrument im 15. Jahrhundert klang und habe einen unglaublichen Respekt bekommen. Das hatte allerdings weniger mit unserer Kunstfertigkeit als vielmehr mit der Kunst der Instrumentenmacher zu tun. In diesem Moment hat sich auch langsam eine Verachtung gegenüber der herrschenden Ignoranz entwickelt.

crescendo: Was genau haben Sie verachtet?

Harnoncourt: Wir haben gespürt, dass unser Musikleben in einer falschen Schiene lief. Man hat nicht nach rechts und nicht nach links geschaut. Ich habe die Matthäus-Passion von Furtwängler am Klavier begleitet gehört, oder den schrecklichen Hermann Scherchen mit der Kunst der Fuge - er hatte keine Idee von Klang. Oder freundlicher gesagt: Ich hatte durch meine Beschäftigung mit den alten Instrumenten eine ganz andere Klangvorstellung als er. Während die anderen einfach weiter gemacht haben, saßen wir da, haben geschnüffelt und gestöbert und eigentlich nur auf den Moment gelauert, endlich selbst etwas auf die Beine stellen zu können. Die Wiener Symphoniker haben uns eine finanzielle Basis dafür gegeben. Aber das gilt nicht nur für das Geld, sondern auch für die Erfahrung. Von 1952 an habe ich außer mit Furtwängler fast unter jedem Dirigenten gespielt - selbst mit dem alten Kleiber, aber auch unter Strawinsky oder Hindemith. Diese alten Meister hatten ja einiges zu sagen. Die Oberflächlichkeit der Musikalität hat eigentlich erst in den Zwischenkriegsjahren eingesetzt und nahm ihren weiteren Lauf in der Nachkriegszeit.

crescendo: Es gab also das etablierte Musizieren. Eine unangreifbare Szene, die bei Ihnen Verachtung auslöste. Aber der eigentliche Skandal Ihres Treibens lag doch darin, dass Sie in eine Moderne gegangen sind und sich dabei auf das Alte berufen haben.

Harnoncourt: Es war so, dass die zeitgenössischen Komponisten und Musiker sich für unsere Konzerte viel mehr interessiert haben als die Musiker der klassischen Schiene. Aber natürlich gab es auch Ausnahmen, Sympathisanten. Der Lehrer von Claudio Abbado und Zubin Mehta zum Beispiel, Hans Swarowsky, der eine Dirigentenklasse in Wien hatte, machte mit seinen Schülern Führungen durch Wien und hat ihnen die Architektur erklärt. Er war ein ziemlich schlechter Dirigent, aber ein wunderbarer Pädagoge. Und wenn er vor uns stand, hat er geblufft, hat versucht mit historischen Kenntnissen zu prahlen, und behauptet: „Das steht schon bei Leopold Mozart“. Aber von einem gewissen Zeitpunkt an hat er mich immer gefragt, ob das stimmt. Er wusste, dass ich mir inzwischen viel angelesen hatte und hoffte, dass ich seine Thesen irgendwie untermauern würde. Er hat mich „Erlaucht“ genannt, weil er erfahren hatte, dass meine Eltern Grafen waren. Also hat er gefragt: „Erlaucht, stimmt das?“. Meistens musste ich ihm antworten: „Leider nein.“ Aber das hat ihm unglaublichen Spaß gemacht - und ich finde, das hatte Größe.

crescendo: Also gab es durchaus auch eine Offenheit für das Neue?

Harnoncourt: Schon, aber das war eher die Ausnahme. Ich habe mir manchmal den Spaß gemacht, Dirigenten nach dem „Warum“ ihrer Anweisungen zu fragen - und habe das aus Höflichkeit selten vor dem Orchester, sondern immer nur in privaten Audienzen getan. Aber ich habe nie eine andere Antwort auf meine Frage bekommen als: „Weil ich es so sage.“ Das Autoritätsgebaren dieser Leute damals war schier unbegreiflich. Die besten Musiker hatten einfach zu spielen, jeder war Teil eines Instruments, das den Namen „Orchester“ trug - und es war das Instrument, auf dem der Dirigent spielte.

crescendo: Ein Querkopf wie Sie hatte es sicherlich nicht leicht gegen all die übermächtigen Größen…

Harnoncourt: Ich habe immer Widerstand geleistet, also war diese Situation für mich nicht neu. Ich bin schon als Kind nicht den Ideen meines Vaters gefolgt. Ich bin meinen Lehrern nie blind nachgerannt, und meine zweifelnde Grundhaltung hat sich natürlich auch auf die Musik übertragen. Allerdings wurde mir auch ziemlich schnell klar, dass man in seinem Zweifel auch etwas wagen muss. Es ist einfach sicherer, etwas zunächst nicht zu glauben, anzuzweifeln, zu hinterfragen. Aber dazu gehört auch, dass man die Konsequenzen aus seinen Überzeugungen zieht. Ich habe die Wiener Symphoniker 1969 verlassen. Da hatten wir bereits vier Kinder, aber kein anderes Einkommen. Meine Frau hat mich unterstützt. Sie sagte, dass sie notfalls in einem Spital putzen würde, wenn es nicht klappen würde, oder dass sie im Burgtheaterorchester spielen würde, weil die großen Orchester damals noch keine Frauen aufgenommen haben.

crescendo: Aber dazu kam es gar nicht, weil Sie ja ziemlich schnell neue Jobs angeboten bekamen, zum Beispiel an der Wiener Hochschule, an der Sie Aufführungspraxis lehren sollten.

Harnoncourt: Aber das wäre nie der Fall gewesen, wenn ich nicht die Konsequenzen aus meinen Zweifeln gezogen hätte. Außerdem ging diese Geschichte ja auch nicht gut aus. Es gab eine Kollegiumsversammlung aller Professoren, in der ich abgelehnt wurde. Ich habe illegalerweise das Protokoll dieser Sitzung zugespielt bekommen. Zwei Leute, die mich sehr gut kannten, haben mich damals mit der Begründung abgelehnt, dass man jemanden wie mich, der alles anzweifelt, nicht auf die Studenten loslassen könne. Und auch die Entscheidung, dass ich nicht Direktor der Musikinstrumentensammlung geworden bin, hatte ähnliche Gründe. Die anderen Museumsdirektoren hätten mich als Direktor akzeptieren müssen, aber sie haben gesagt, dass ich kein Akademiker sei und als Gesprächspartner somit nicht satisfaktionsfähig. Heute danke ich ihnen, dass sie so entschieden haben, denn sonst wäre ich wohl kaum den Weg gegangen, den ich gegangen bin.

crescendo: Haben Sie trotz der Widerstände nie Zweifel an Ihrem Weg gehabt?

Harnoncourt: Ehrlich gesagt: kaum. In den letzten Jahren seines Lebens haben wir den Pianisten Friedrich Gulda getroffen. Meine Frau kannte ihn von früher, im Krieg haben die beiden gemeinsam Trio gespielt - da war er, der Fritzi, und sie die Lizzi. Wir haben uns durch Zufall in einem Frankfurter Hotel wieder getroffen, und er frage mich: „Warum spielen wir eigentlich nicht zusammen?“ Dann haben wir tolle Dinge zusammen gemacht. Er hat ja nicht weit von uns am Attersee gewohnt. Und als wir dann beisammen saßen, sagte er: „Dass Du das damals gemacht hast, vom Orchester weg, ohne Netz und Seil, das finde ich toll.“ Aber ich hatte damals gar nicht das Gefühl, etwas Großartiges getan zu haben, denn durch den Mut den Zweifel zu vertreten, haben sich immer neue Türen geöffnet. So bin ich fast vom Fleck weg von der Mailänder Scala engagiert worden. Die haben geglaubt, dass ich längst überall dirigieren würde, weil auf unseren Platten stand: „Leitung: Nikolaus Harnoncourt“. Dabei habe ich immer nur vom Cello aus geleitet und stand noch nie in meinem Leben vor einem modernen Orchester. Aber zum Glück ist alles gut gegangen. Als die Scala mich erneut verpflichten wollte, hatte ich eine Tournee mit dem Concentus geplant und dafür meinen Assistenten vorgeschlagen. Die Antwort der Oper war: „An der Scala gibt es kein Debütieren.“ Da habe ich mir gedacht: Wenn die wüssten. Früher habe ich das niemandem erzählt, aber heute sage ich es jedem, der es wissen will.

crescendo: Die Alte Musik war plötzlich modern und hat auf die Gegenwart gewirkt. Worauf führen Sie das neue Interesse zurück?

Harnoncourt: Die Parallele zwischen Alter und Neuer Musik war tatsächlich für viele erstaunlich und neu. Und es waren ja auch die Gegenwartsmusiker, die in unsere Konzerte stürmten, weil sie merkten, dass hier etwas passierte. Wer nicht kam, hatte meist ein Vorurteil gegen die Musik, die wir aufführten. Nicht ganz zu Unrecht, denn Alte Musik war ja wirklich zum großen Teil Gebrauchsmusik - und vieles ist zu Recht vergessen. Ich glaube nicht, dass man jede Sinfonie von Dittersdorf oder den Bachsöhnen aufführen muss. Das mag dem akademischen Interesse der musikwissenschaftlichen Seminare dienen, aber die wirklich große Kunst kennt weder Gegenwart noch Vergangenheit, sie bleibt aktuell. Man braucht sie auch nicht zu aktualisieren, weil sie per definitionem modern ist und sich ständig in Konkurrenz zum zeitgenössischen Schaffen befindet. Dieser Punkt ist mir wichtig, besonders, wenn man über die „historische Aufführungspraxis“ redet: Es geht eben nicht darum, das Alte zu rekonstruieren, sondern es in die Kontexte der Gegenwart zu stellen. Dabei haben wir natürlich auch Irrwege unternommen, Werke vermeintlicher Größe aufgeführt. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass Altes - und ich meine damit alles, was älter ist als eine Generation - nur eine Aufführungsberechtigung hat, wenn es so gut ist, dass es nicht altert.

crescendo: Wie ist es damals eigentlich von der akademischen Pionierarbeit zu den ersten Konzerten gekommen?

Harnoncourt: Nach jahrelangen Vorbereitungen haben wir diese Konzerte von 1957 an selbst veranstaltet - im Palais Schwarzenberg. Wir haben die Plakate selbst organisiert, haben die Stühle gestellt, und an der Garderobe standen die Frauen der Musiker. Das Merkwürdige war, dass die Konzerte sofort eingeschlagen haben. Wir haben sie sogar wiederholen müssen. Der Grund war, dass sie so fremd klangen und deshalb als zeitgenössisch empfunden wurden. Nur die Reaktionen der anderen Musiker waren absolut negativ.

crescendo: Aus ästhetischen Gründen oder aus Angst vor dem eigenen Machtverlust?

Harnoncourt: Die sind ja gar nicht so weit gekommen, sich eine ästhetische Meinung zu bilden. Schließlich saßen die ja nicht einmal in den Konzerten. Aber sie haben gesagt: „Wozu haben wir unsere neuen Instrumente, wenn die jetzt diese alten Dinger nehmen?“ Ihre Meinung war: „Etwas Neues ist immer besser als das Alte, weil es moderner ist.“

crescendo: Das ist ja eine erlaubte Gegenthese.

Harnoncourt: Erlaubt schon, aber meiner Meinung nach ist sie falsch. Ich habe schon früh die sogenannte „Knödeltheorie“ entwickelt. Demnach gibt es für jeden Gegenstand eine Zeit, in der er seine maximale Qualität erreicht. Bei den Musikinstrumenten lag dieser Zeitpunkt kurz vor 1500. Ab da konnte man nichts mehr verbessern, nur noch verändern. Mit anderen Worten: Es war nicht möglich, etwas zu verbessern, ohne gleichzeitig etwas zu verschlechtern. Die Entwicklung des abendländischen Orchesters ist eine andauernde Geschichte der Veränderungen. Und am Ende stellt sich immer wieder die Frage, ob der Preis der Veränderung nicht zu hoch gewesen ist. Dass das so ist, haben wir damals bemerkt: Eine Flöte mit sechs Löchern hat einen unglaublich schönen, perfekten Ton. Wenn Sie Zwischentöne und Klappen hinzufügen, können Sie zwar mehr Töne darauf spielen, aber sie verlieren unweigerlich an Klangqualität. Übrigens: „Knödeltheorie“ nenne ich mein System deshalb, weil ich die (um ca. 1500) erreichte Vollkommenheit mit einem Lehmklumpen vergleiche. Wenn man den an einer Stelle vergrößern will, muss man den Lehm von einer anderen Stelle wegnehmen - die Masse bleibt immer gleich.

crescendo: Eine Theorie, die ja nicht nur in der Musik gilt.

Harnoncourt: Natürlich nicht, wenn ich heute einen Fotografen frage, warum im 19. Jahrhundert mit den alten Holzkisten so tolle Porträts entstanden sind, antwortet er, dass man nicht einmal mit der besten Pixelkamera solche Bilder aufnehmen kann. Und das sehen Sie ja auch heute noch: Gute Fotografen folgen auch wieder einer - wie soll ich das nennen – „historischen Aufnahmepraxis“, also „Knödeltheorie“.

crescendo: Sie haben nicht nur auf alten Instrumenten gespielt, sondern sich auch um die Handschriften der Komponisten gekümmert, was damals ebenfalls keine Selbstverständlichkeit war.

Harnoncourt: Wir haben unsere Urlaube mehrfach in der Nationalbibliothek in Paris verbracht. Meine Frau hat 1951 ein Stipendium in Paris gehabt und hat Seite um Seite abgeschrieben - Noten von 1500 bis 1550. Wir haben diese Massen an Papier heute noch, und wir haben das auch alles gespielt. Überhaupt haben wir bis 1970 nur aus handgeschriebenen Noten gespielt, selbst die Bachkantaten. Vielen ist das ja gar nicht bewusst: Jede Ausgabe ist nur die Interpretation des Herausgebers. Und das kann man so nicht akzeptieren, wenn man sich mit einem Werk ernsthaft auseinandersetzen will. Wenn ich eine Schubert-Sinfonie aufführe, bekomme ich in den herkömmlichen Editionen nur die Schubert-Bearbeitung von Johannes Brahms. Wenn man in die Autographen von Schubert hineinschaut, sieht man dort in der Handschrift Brahms’ wie er sich seinen Schubert vorstellte und in den Druck gab. Wir wussten das, aber stellen Sie sich einmal vor, dass Sie plötzlich vor einem Orchester stehen und sagen: „Meine Herrn, es tut mir leid, aber Sie haben das Jahrzehnte lang falsch gespielt.“

crescendo: Aber das haben Sie getan.

Harnoncourt: Natürlich! Ich habe den Direktor des Wiener-Musik-Vereins-Archivs gebeten, die Konzertmeister einzuladen, und wir haben uns gemeinsam die Handschriften angeschaut. Denen stand der Mund offen. Ich glaube nicht, dass ich je ein Werk aufgeführt habe, ohne mich vorher genau mit den Quellen auseinander zu setzen.

crescendo: Eines der ersten Stücke, die Sie für das “Alte Werk” aufgenommen haben, war Bachs h-Moll-Messe. Können Sie ihre Erfahrungen mit diesem Werk einmal schildern?

Harnoncourt: Ich glaube nicht, dass wir beim ersten Mal schon alles, was wir heute wissen, in unsere Interpretation eingebracht haben. In diesem Fall gab es ein altes Faksimile, das so gut war, dass wir uns die Originalhandschrift nicht mehr anschauen brauchten. Gerade was die h-moll-Messe betrifft, haben wir natürlich sehr viel von diesem wunderbaren Druck gelernt. Außerdem gab es auch das Aufführungsmaterial, das Bach nach Dresden geschickt hatte. Davon ließen wir uns ebenfalls Kopien machen. Von allen Stimmen hatten wir eine 1:1 Kopie am Aufnahmeort liegen, so dass jeder Instrumentalist seine Noten nachschauen konnte.

crescendo: Die Manuskripte lagen in Leipzig, also in der DDR - wie sind Sie dort empfangen worden?

Harnoncourt: Mich hat begeistert, dass unsere Nachforschungen in der DDR vollkommen unterstützt wurden. Ich war in Leipzig und durfte ohne Handschuhe in den Handschriften stöbern - stellen Sie sich das einmal vor! Wir sind wie Abgesandte aus einer anderen Welt empfangen worden. Na gut, wir haben für unsere Konzerte kein Westgeld bekommen, aber wir durften uns etwas kaufen. Also haben sich alle irgendwelche Pelzmützen oder Schuhe gekauft, die lustigerweise hier in St. Georgen gefertigt wurden. Ich wollte irgendeine Antiquität mit nach Hause nehmen, aber das war nur gegen Devisen möglich. Also hat man mir Bücher angeboten, aber die hatten wir alle schon zu Hause. Als ich nichts gefunden hatte, habe ich das Geld dem Orchester geschenkt.

crescendo: Für die Musikwissenschaftler der DDR muss es ebenfalls revolutionär gewesen sein, was Sie da getrieben haben.

Harnoncourt: Ehrlich gesagt, in den Archiven war niemand, dem wir irgend etwas Neues erzählt hätten. Die wussten alle ganz genau Bescheid. Aber wir haben die Dinge realisiert, von denen sie nur geträumt haben, wir haben die Musik gespielt, sie zum Leben erweckt, sie aus dem Archiv auf die Podien geholt. Wenn wir die Bach-Kantaten aufgeführt haben und da „Lituus“ stand, eine Art Horn, mussten wir erst einmal herausfinden, was das überhaupt für ein Instrument war, und in welcher Oktave es zu spielen war.

crescendo: Teil der sogenannten „historischen Aufführungspraxis“ ist, wie Sie sagen, die Beschäftigung mit der Entstehungszeit. Wo liegen eigentlich für Sie persönlich die Wurzeln dieses Begriffes?

Harnoncourt: Es gab in Westfalen die Industriellenfamilie Hoesch. Ich erinnere mich daran, dass wir verzweifelt einige Instrumente gesucht haben. Bei einer Orchestertournee in Stuttgart bin ich zum damals bekanntesten deutschen Geigenbauer gegangen und habe gefragt, ob er Instrumente von Jacob Stainer hat - weil dessen Instrumente für unseren Klang ideal waren. Der Geigenbauer hatte eine Bratsche, ein wunderbares Instrument, aber das war für uns unerschwinglich. Wir konnten es nur anschauen, aber nicht kaufen. Der Geigenbauer erzählte uns auch von einer Stainer-Gambe, die Herrn Hoesch gehörte. Etwas später hatte meine Frau einige Konzerte in Holland und machte auf dem Rückweg in Hagen halt, um Herrn Hoesch zu besuchen. Aber der Hausherr wollte sie nicht auf einen Kurzbesuch einlassen. Er hat gesagt: „Ich spreche nicht mit Leuten, die nur mal vorbeischauen. Wenn Sie kommen, kommen Sie für drei Tage.“

crescendo: Waren Sie Herrn Hoesch damals schon ein Begriff?

Harnoncourt: Es hat sich herausgestellt, dass er eine Schallplatte mit Haydn-Streichquartetten von uns gehört hatte. Und er wollte uns selbst kennenlernen. Der Besuch meiner Frau und sein Brief hatten sich überschnitten. Im Ersten Weltkrieg war Hoesch als Soldat in der Türkei und hat dort im Zelt ständig Geige gespielt. Er muss sehr schlecht gespielt haben, auf jeden Fall hat seine Mutter ihm irgendwann eine Stradivari gekauft - aber mit der war er auch nicht zufrieden. Dann hat er angefangen, mit historischen Instrumenten herumzuexperimentieren. Und er hat sich ein Netzwerk von Leuten zusammengesucht, die er auf alten Instrumenten spielen ließ. Unter anderen den Solocellisten aus Bremen, August Wenzinger. Ihn hat Hoesch mehr oder weniger gezwungen, Gambe zu lernen. Dem Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, Greling, hat er eine alte Geige in die Hand gedrückt und dem Soloflötisten, Herrn Scheck, eine alte Flöte - er wollte unbedingt die Matthäus-Passion aufführen. Dafür hatte er sogar eine eigene Halle in seinem Garten mit zwei Podien gebaut. Aber die Reichskmusikkammer hatte Hoesch das verboten und ihn ausgeschlossen. Später, bei den Kabeler Musiktagen, hat er die Musiker mit Geld dazu gebracht, auf diesen historischen Instrumenten zu spielen. Hoesch hatte zwar nicht sonderlich viel Ahnung, aber jede Menge Begeisterung und Initiative. Wenn ich die Musiker später auf ihn angesprochen habe, taten alle so, als hätten sie die Alte Musik selbst erfunden. Bei der Gründung der Capella Coloniensis hätte er sich über eine Beteiligung oder Präsidentschaft sehr gefreut, waren doch seine Musiker dabei - aber man hatte ihn und seine Initiative ganz schnell vergessen.

crescendo: Hat er Ihnen die besagte Stainer-Gambe denn dann verkauft?

Harnoncourt: Nein, Hoesch hätte nie etwas verkauft! Aber ich durfte auf dem Instrument spielen. Da ist er in den Garten verschwunden, hat eine Rose abgeschnitten, sie in das f-Loch gesteckt und gesagt: „Sie spielen so schön auf dieser Gambe, nehmen sie sie mit.“ Einfach so. Bamm! Und meine Frau hat er einmal gefragt, ob sie es nicht etwas anders spielen will, weil das, was sie getan hat, ihm nicht so gefallen hat - aber sofort hatte er das Gefühl, dass er sie gekränkt hatte …

crescendo: … und hat ihr die Geige geschenkt?

Harnoncourt: Nein, er ist zu einer Schatulle gegangen und schenkte ihr einen „Tourte“-Bogen. Davon gibt es nur ungefähr 15 auf der ganzen Welt. Dieser Bogen ist so brillant, dass einige Wiener Philharmoniker ihn kopieren ließen. Und meine Frau hat noch ein bestimmtes Parfum dazu bekommen. Außerdem hat Hoesch sie zum Frisör geschickt.

crescendo: War es auch Hoesch, der von „historischer Aufführungspraxis“ geredet hat?

Harnoncourt: Nein, ihm ging es eher um die Instrumente an sich, weniger um die Philosophie dahinter. Und ich selbst benutze den Begriff ja auch nicht, ich spreche eher von „Klangrede“. Aber auch dieses Wort habe ich nicht selbst erfunden. Ich finde es nur passend, weil es das Sprachliche in der Musik betont. Ziemlich schnell tauchte dann der Begriff „authentisch“ auf. Ich habe sofort gesagt, dass er nicht benutzt werden sollte, da es uns ja nie um die authentische Rekonstruktion des alten Klanges ging, sondern immer um seine Übersetzung in das Heute. Trotzdem haben Veranstalter und Plattenfirmen das Unwort „authentisch“ benutzt und es damit hoffähig gemacht - da konnten wir gar nichts gegen unternehmen.

crescendo: Bis heute wird die „historische Aufführungspraxis“ ja mit historistischer Aufführungspraxis verwechselt. Dabei weiß jeder Historiker, dass Friedrich der Große in unterschiedlichen Epochen anders gesehen wurde, dass die Beschäftigung der Geschichte immer ein Abbild der Gegenwart ist.

Harnoncourt: Natürlich hat jede Generation ihren eigenen Friedrich den Großen - ich habe übrigens eine Flöte von ihm.
crescendo: Erzählen Sie schon.
Harnoncourt: In Niederösterreich gab es viele Schlösser, und die Besitzer sind zum großen Teil vor den Russen geflohen - geblieben sind die Hausmeister. Unser Babysitter war damals ein russischer Revolver-Weltmeister und Hausmeister eines solchen Schlosses. Außerdem war er mit dem Grafen Szapary befreundet, der zurückgekehrt ist, als die Russen Niederösterreich verlassen hatten. Der Hausmeister hat seinem Dienstherren stolz einige Dinge überreicht, die er vor den Russen gerettet hatte: Porzellanfiguren und solche Sachen. Darunter war auch eine kleine Holzkiste. Es gab in der Familie Szapary die Legende, dass der Ur-Urgroßvater Szapary diese Kiste von Friedrich dem Großen persönlich erhalten habe, nachdem er ihn als General der österreichischen Armee besiegt hatte. Darauf sagte ich zu dem Hausmeister: „Dann muss da eine Flöte drin sein, denn Friedrich hatte auf all seinen Feldzügen Flöten dabei.“ Er hat geantwortet: „Ach, wenn das so ist, dann hat der Graf Szapary sicherlich kein Interesse daran.“ Eine Woche später kommt er wieder, mit dieser Holzkiste unter dem Arm und sagte: „Da hast Du sie.“ Ich öffnete das Kästchen, und tatsächlich lag eine Flöte mit sieben Zwischenstücken von Friedrichs Flötenmacher Grenser aus Dresden darin. Niemand hatte sie je in der Hand gehabt, denn die Oberseite war heller als die Unterseite. Die Familienlegende stimmte also. Sie können diese Flöte übrigens auf allen Aufnahmen des „Alten Werks“ zwischen 1957 und 1987 hören.

crescendo: Das ist eine wunderbare Geschichte. Aber lassen Sie uns noch einmal zurück kommen auf die Geschichte der sogenannten „historischen Aufführungspraxis“…

Harnoncourt: Ich glaube, wir waren sehr offen, was das Musizieren betraf. Ich habe allerdings festgestellt, dass schon die zweite Generation dogmatischer wurde. Plötzlich wurden aus den Erkenntnissen der Forschung Regeln aufgestellt, die alle Musiker zu erfüllen hatten. Dabei ist es in der Musik wie überall anders auch: Die zweite Generation liest schon nicht mehr so viele Quellen wie die erste. Es ist ein ganz normaler Vorgang, dass sie sich eher darauf konzentriert, die Erkenntnisse neu zu interpretieren. Dabei wäre es gar nicht wichtig, die Regeln dogmatisch zu erfüllen, sondern zu verstehen, was sie bedeuten. Die alleinige Erfüllung der Regeln kann nämlich auch dazu führen, dass man eigentlich alles falsch macht. Was ist denn eine „historische Wahrheit“ überhaupt? Ich glaube, dass ein guter Historiker immer auch ein guter Geschichtenerzähler sein muss. Und dieses Wissen habe ich von Egon Fridell, dessen Verständnis von Geschichte ich absolut teile. In diesem Sinne wäre die „historische Aufführungspraxis“ als Terminus auch nur unter der Voraussetzung denkbar, dass das „historische“ als offener Begriff verstanden wird. Da kommt auch wieder meine Ureigenschaft des Zweifels zum -Tragen. Ich glaube nicht, dass man reale Geschichte erfahren kann. Man erfährt nur, was man darin sieht.

crescendo: Aber kann es nicht sein, dass Sie selbst früher auch wesentlich dogmatischer waren als heute?

Harnoncourt: Wir waren schon der Meinung, dass das, was wir gesagt haben nur dem einen Zwecke diente, die Alte Musik in das 20. oder 21. Jahrhundert zu holen. Aber natürlich ist die Gefahr groß, dass aus Erkenntnissen Dogmen werden - sehr groß sogar.

crescendo: In den 70er und 80er Jahren spitzte sich der Streit um die „historische Aufführungspraxis“ zu und wurde derart vehement geführt, dass man sich das heute kaum noch vorstellen kann.

Harnoncourt: Ich kann mir das inzwischen sehr gut vorstellen. Diese Streitereien entstehen immer dann, wenn jemand etwas entdeckt und die Entdeckerfreude größer ist als der künstlerische Gewinn. Ich kam ja selbst immer wieder in die Bredouille, dass ich dauernd gefragt wurde, ob ich diesen oder jenen Musiker als legitimen Nachfolger sehe. Lassen Sie mich dazu eine Geschichte erzählen: Es gab in Holland einen Lautenkongress, zu dem ich eingeladen wurde. Da waren alle namhaften Lautenisten der Welt. Ich bin erst am fünften Tag angereist, und da waren bereits alle untereinander zerstritten. Und zwar über die Frage, wo man den kleinen Finger der rechten Hand aufstützt. Man kann auf alten Bildern sehen, dass der Finger am Resonanzboden der Laute aufgestützt wird - die einen haben gesagt, dass er am Steg des Klangbodens aufgestützt werden muss, die anderen fanden, dass man ihn zwei Zenitmeter weiter links aufstützen sollte. Und so haben diese beiden Gruppen sich bis aufs Messer bekämpft.

crescendo: Die kleinsten Spitzfindigkeiten scheinen bereits für große Verunsicherung zu sorgen.

Harnoncourt: Manchmal geht es aber auch um wesentliche Dinge. Meine Frau und ich waren einige Sommer in Bremen bei einem Workshop für Alte Musik. Dort wurde irgendwann behauptet, dass man die Geige nicht mit dem Kinn, sondern allein mit der linken Hand halten sollte. Wenn das stimmt, würde sich die Spielweise natürlich massiv verändern. Die Vertreter dieser These haben sich auf Bilder berufen, auf denen Geiger abgebildet wurden. Tatsächlich haben bald schon 60 Prozent der Musiker so gespielt. Ich habe dann eine Quelle von ca. 1670 von einem wichtigen Geigenlehrer gefunden, der geschrieben hat, dass man das Kinn fest auf die Geige pressen soll, damit man mit der Hand besser “auf- und abrutschen” kann. Da wurde mir gesagt, dass diese Quelle keine Bedeutung habe. Dieser Einwand wäre ja noch gar nicht schlimm gewesen, aber plötzlich fingen diese Leute an, allen, die anders gespielt haben, zu sagen, dass sie falsch spielen würden. Für mich ist das wie der kleine Finger auf der Laute: Man sieht etwas auf Bildern und nimmt es als gegeben.

crescendo: Aber Bilder sind doch auch eine gültige historische Quelle.

Harnoncourt: Ich erinnere mich noch an das erste Mal, als ich mit meinem Cello fotografiert wurde, da sollte ich mich derart verrenken, dass ich nie hätte spielen können. Aber es sah sehr gut aus. Wenn ich heute ein Bild von Leopold Mozart sehe, glaube ich, dass das früher nicht anders war. Es ging dem Porträtisten nicht darum, die geigerische Haltung zu dokumentieren, sondern ein spannungsvolles Bild zu malen.

crescendo: Es gibt Kollegen von Ihnen, die noch immer mit dem gebets-mühlenartigen Spruch „Kein Vibrato! Kein Vibrato!“ herumziehen.

Harnoncourt: Das ist doch absoluter Quatsch! Das Vibrato ist so alt wie die Geige - ja, wie die Musik selbst. Es gibt sogar Gedichte über das Vibrato aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts. Und bei jeder Orgel gibt es ein Register „Vox Humana“, das ein Vibrato von vier Bewegungen pro Sekunde hat. Jede Instrumentenbeschreibung besagt die größtmögliche Annäherung an die menschliche Stimme, und in der ist ein Virbrato natürlich angelegt. Die Frage des Dauervibratos wird immer aktuell bleiben, aber dass man bestimmte Teile auch früher schon mit Vibrato gespielt hat, davon bin ich überzeugt. Auch wenn man weder das eine noch das andere beweisen kann. Grundsätzlich glaube ich, dass man alle Ausdrucksmöglichkeiten nutzen muss - und da spielt es nur eine sekundäre Rolle, ob das früher auch so war oder nicht.

crescendo: Die Grabenkämpfe sind inzwischen stiller geworden, heute, 50 Jahre nach der ersten Einspielung des „Alten Werks“ ist das historische Musizieren selbst in großen Orchestern ganz normal geworden. Haben Sie sich diesen Siegeszug früher vorstellen können?

Harnoncourt: Nein, und es gab ja auch keine Anzeichen dafür - wir galten schließlich alle nur als Spinner. Heute gibt es aber wieder Dogmatiker, die sagen, dass Orchestermusiker lieber nicht auf alten Instrumenten spielen sollten, weil sie das nicht können. Ich persönlich halte nichts von Spezialisten. Die Musiker des Concentus spielen sowohl alte als auch moderne Musik. Man will schließlich ein Mensch seiner Zeit bleiben - auch als Künstler.

crescendo: Alles, was der Gegenwärtigkeit des Alten dient, ist also gut?

Harnoncourt: Ich würde sagen: Alles, was der bestmöglichen Interpretation im Heute dient.

crescendo: Sie selbst sind inzwischen zu einer Legende geworden…

Harnoncourt: Oder zu einem alten Trottel - je, wie man es sieht.

crescendo: Was interessiert den Trottel heute besonders?

Harnoncourt: Ich mache einfach weiter - es gibt nichts, was ich nicht in Frage stelle, auch meine eigenen Theorien nicht. Für mich ist jedes Konzert wie eine Uraufführung, egal, ob ich das Stück schon gespielt habe oder nicht. Vor drei Wochen habe ich Beethovens fünfte Sinfonie gemacht, und eine Woche vor Beginn der Proben ist mir plötzlich ein ganz neues Konzept für dieses Werk eingefallen. Ich habe es mit dem Chamber Orchestra of Europe aufgeführt, und mit ihm habe ich die Fünfte schon einige Male gespielt. Die Musiker waren vollkommen perplex, dass nun beim gleichen Dirigenten alles ganz anders klingen sollte. Aber letztlich sind es diese neu gedachten Ansätze, die die Lebendigkeit der Musik beweisen.

crescendo: Wann kommen Ihnen denn diese neuen Konzepte?

Harnoncourt: Ich kenne die Noten natürlich, arbeite immer wieder an ihnen, aber die eigentlichen konzeptionellen Einfälle kommen oft in der Nacht. Dann wache ich plötzlich auf, habe eine Idee, und am nächsten Morgen überprüfe ich den nächtlichen Wahn - und es ist erstaunlich, dass sich manchmal alle Teile zu einem Neuen fügen. In Beethovens Fünfter bricht normalerweise nach dem letzten Ton sofort der Applaus aus, das ist so im Stück angelegt. Doch nun war es so, dass die Leute total konsterniert waren und es einige Zeit brauchte, bis sie reagieren konnten. Spätestens da wusste ich: So falsch kann meine Idee nicht gewesen sein.

crescendo: Finden Sie, dass ihr eigener Klang in den Jahren gewachsen ist?

Harnoncourt: Es ist vielleicht nicht nur ein Wachsen, sondern eher ein Ändern, so wie sich ein Mensch ändert. Wenn ich die alten Aufnahmen von mir anhöre, bin ich bei manchen überrascht, wie nahe sie noch bei mir sind, bei anderen fühle ich mich beim Hören selbst fremd. Aber ich glaube, dass auf allen Aufnahmen ein bestimmter Klang zu hören ist, eine für mich typische Idee, dass es nichts Banales gibt.

crescendo: Sie haben mit dem Concentus Musicus ja nicht nur die Alte Musik belebt, sondern auch die Orchesterpolitik. Heute eifern viele Dirigenten Ihrem Vorbild nach und gründen eigene, kleine Orchester wie das Mahler Chamber Orchestra von Claudio Abaddo oder das West-Eastern Divan Orchestra von Daniel Barenboim. Haben Sie die großen philharmonischen Tanker satt?

Harnoncourt: Das hat, glaube ich, mit Alt und Jung zu tun. Abaddo hat viele Orchester gegründet, und er suchte immer junge Musiker. Das ist eine sehr interessante und reizvolle Sache mit hungrigen Musikern zu spielen, wenn jeder um sein Leben geigt. In diesen großen Orchestern gibt es viele Individuen, die diesen Trend längst erkannt haben. Und wenn ich im Concertgebouw, bei den Wiener- oder den Berliner Philharmonikern bin, spürt man, wie wichtig es ihnen geworden ist, dass man nicht nachlässt und nur das Althergebrachte bestätigt. Diese Ensembles sind sich schon bewusst, dass auch ihnen das Musizieren mehr Spaß macht, wenn da jemand kommt, der etwas will. Auf der anderen Seite hat ein Orchestermusiker die Pflicht, Teil des Orchesters zu sein. Ich habe grundsätzlich eine unglaubliche Hochachtung vor dem Prinzip Orchester. Da spielt jemand mit 40 unterschiedlichen Dirigenten im Jahr, 35 davon findet er miserabel. Als er mit 23 Jahren ins Orchester kam, hat er mit Idealismus begonnen, und dann wurde ihm dieser Idealismus von Woche zu Woche, von Monat zu Monat genommen. Von dieser Begeisterung etwas zu retten und auf die Dirigenten zu warten, bei denen man sagt, „Jetzt weiß ich wieder, warum ich Musiker geworden bin!“, das ist schwer. Irgendwann kommen die meisten an einen Punkt, an dem sie sich sagen: „Der da vorne muss zufrieden sein, wenn ich spiele, was er sagt.“ Ich kenne das ja aus meinem eigenen Leben: Ich bin manchmal nur mit meinem Kadaver ins Orchester gekommen und habe den Geist erst zu Hause wieder angezogen. Ich bewundere jeden Musiker, der seine Urbegeisterung immer wieder mobilisieren kann, selbst wenn er denkt: „Der Harnoncourt ist ein Idiot, jetzt kommt der schon wieder.“

IDOMENEO, de Mozart (HARNONCOURT 1)

Sonderrolle für einen Ausnahmekünstler (6/2008)

Sechs Wochen Probenzeit hat sich Dirigent Nikolaus Harnoncourt für Mozarts Idomeneo genommen, bei dem er auch erstmals Regie führt – Nikolaus Harnonocurt im Interview

Daniel Ender, June 5, 2008

Hinter der Helmut-List-Halle, wo Nikolaus Harnoncourt mit dem Concentus Musicus, dem Arnold Schoenberg Chor und einer handverlesenen Sängerschar Mozarts Idomeneo erarbeitet, hat das Café „Kreta Beach“ für die Mitwirkenden seine Zelte aufgeschlagen.

Hier berichtet der Dirigent in einer Probenpause von den Vorbereitungen zur Premiere jener Oper, die hinsichtlich der integrierten Ballette und der Intermezzi seit der Münchener Uraufführung 1781 nicht mehr adäquat realisiert worden ist. Er sei noch ganz elektrisiert von der letzten Szene, die er gerade geprobt hat, sagt der Neoregisseur gleich bei der Begrüßung.

Standard: Wo befinden Sie sich denn gerade in den Proben?

Harnoncourt: Wir haben gerade den Schluss des zweiten Aktes gemacht. Das ist ein fast blasphemischer Dialog zwischen Idomeneo und Neptun, der vom Orchester dargestellt wird. Es ist schon eine sehr kühne Idee von Mozart, die Antworten des Gottes rhetorisch im Orchester zu verpacken. Man kann genau hören, was es sagt. Das ist eines der theatralisch und dramatisch interessantesten Accompagnato-Rezitative, die es gibt.

Standard: Ist das für den Zuhörer einfach zu verstehen?

Harnoncourt: Mozart schreibt für den Hörer, der die musikalische Sprache kennt. Wir vergessen ja immer wieder, dass man bis weit ins 19. Jahrhundert hinein fast nur zeitgenössische Musik gespielt hat. Wenn man nach Mozarts Tod Symphonien von ihm aufgeführt hat, dann hat man solche gewählt, die sich mit jenen von Beethoven vertragen, die damals das Maß der Dinge waren, und hat die Instrumentation geändert. Man war nicht der Meinung: So wie der Komponist es wollte, so ist es richtig, sondern wie man es „heute“ sagt. Das war eine ganz andere Einstellung.

Standard: Eine im Grunde ahistorische Haltung.

Harnoncourt: Ja, auch wenn man bedenkt, dass mehrere Jahrhunderte lang sämtliche Opern in zeitgenössischen Kostümen gespielt wurden. Heute sind viele beleidigt, wenn die Leute in heutiger Kleidung auf der Opernbühne stehen und einen Menschen aus einer anderen Zeit darstellen. Das gilt dann als „Regietheater“. Da müssen wir ja zurückfragen: Was wollt ihr eigentlich? Die Gesetze des Theaters sind andere als die des Alltags. Titus oder Caesar, die römischen Helden, waren früher angezogen wie Joseph II. oder Maria Theresia und haben irgendwo ein antikes Attribut gehabt. Die Stücke haben nicht in einer bestimmten Zeit, sie haben außerhalb der Zeit gespielt.

Standard: Was hat das für Sie für Konsequenzen?

Harnoncourt: Ich will gar nicht versuchen, eine damalige Aufführung von Idomeneo heute zu realisieren, dazu sind die Inhalte viel zu aktuell, als dass ich sagen würde, wir machen einen Museumsspaziergang. Es geht um die Inhalte, um die Substanz des Stückes, aber überhaupt nicht darum, wann es spielt. Ich könnte Idomeneo zeitlich nicht festmachen, auch nicht optisch. Man hat es damals bestimmt genau in der Zeit gespielt, in der es geschrieben wurde; aber man kann es nicht auf die heutige Zeit übertragen. Man kann nicht sagen, es soll gespielt werden, wie die Menschen jetzt sind. Ich habe nichts dagegen, wenn das gemacht wird, aber die Tatsache, dass wir ein mehrere Jahrhunderte altes Stück überhaupt spielen, ist das eigentliche historische Problem.

Standard: Heißt das, dass alles, was Sie tun, dazu dient, den Widerspruch zwischen einem modernen Zugang und dem Stück zu lösen?

Harnoncourt: Die meisten Probleme kann man nicht lösen, man kann sie nur bewusstmachen. Die großen Dramen und Kunstwerke zeigen, dass die Menschen im Grunde in den 5000 Jahren, seit sie dokumentiert sind, nichts dazugelernt haben. Wenn man über die Probleme nachdenkt, die in den ältesten abendländischen Kunstwerken geschildert werden, sind es auch unsere Probleme. Sie sind nur ein kleines bisschen verschoben. Die Kunst zeigt, was ist, und hilft dem, der sich mit ihr auseinandersetzt, zu erkennen, was ist.

Standard: Sie haben bisher sehr wenig preisgegeben, was in szenischer Hinsicht auf uns zukommt.

Harnoncourt: Das wäre, glaube ich, auch kontraproduktiv. Wir haben sehr lange an der bildlichen Realisation gefeilt, weil das normale, sagen wir: heute übliche, geometrische Bühnenbild hier überhaupt nicht passt. Rolf Glittenberg hat viele Vorschläge gemacht, bis wir zu etwas gekommen sind, das für die Halle, in der es keinen Vorhang, keinen Schnürboden und keine Versenkung gibt, passt. Das ist eine riesige Herausforderung.

Standard: Wie sehr hängt Ihre Motivation, bei „Idomeneo“ auch die Inszenierung zu übernehmen, mit dem Stück selbst zusammen?

Harnoncourt: Ich würde nie Così fan tutte oder Don Giovanni inszenieren wollen, weil diese Stücke für sich selbst sprechen. Man kann sie besser oder schlechter machen, aber es geht immer um ein verständliches Dialogstück. Bei Idomeneo geht es um ein Stück, das in der Regel missverstanden wird. Deshalb wollte ich selbst verantwortlich sein und wissen, warum es so geschrieben ist und warum ich es keinesfalls so machen will, wie ich es kenne. Daher musste es dieses Werk sein. Und es ist auch damit begründet, dass keine Gefahr besteht, dass ich mit Regie weitermache. Wem es nicht gefällt, der braucht keine Angst haben, von mir kommt nichts mehr nach in dieser Richtung.

Standard: Man kennt ja „Idomeneo“ in der kompletten Form gar nicht.

Harnoncourt: Ja, wo gibt es das, dass nach dem tragischen Abgang der Hauptperson, nach der abgeschlossenen Handlung noch ein Chormarsch, der für die Handlung nicht sein müsste, und ein Ballett von fünfzehn Minuten kommen? Wenn man das weglassen würde, ist das wie eine Amputation, wie wenn man ein Bein ausreißt. Dass auch die Intermezzi getanzt wurden, darüber besteht kein Zweifel. Die Uraufführung hat der Ballettmeister inszeniert, was auch ein Hinweis darauf ist. Idomeneo ist die einzige Oper Mozarts, die vollkommen aus dem Schema herausfällt. Sie ist die einzige italienische Tragédie lyrique und keine Opera seria, in der es eben keine großen Chöre, keine Chaconnen, kein Intermezzo gab wie hier nach dem „Ende“ des ersten und dritten Aktes. Keinen Regisseur hat bisher im Geringsten interessiert, was das bedeutet.

Standard: Konnten Sie auch jene, mit denen Sie das Werk schon gemacht haben, nicht überzeugen?

Harnoncourt: Ich habe zwei Inszenierungen musikalisch verantwortet: 1980 in Zürich mit Jean-Pierre Ponnelle und sieben Jahre später an der Staatsoper mit Johannes Schaaf. Mir ist es nicht gelungen, obwohl ich mit Ponnelle sehr eng verbunden war. Bei ihm war es sicher zum Teil mein Fehler, weil ich noch nicht so weit war, das Stück völlig zu durchschauen. Ponnelle war für mich der perfekte Mozart-Regisseur, und ich kenne keinen Regisseur, dessen Inszenierungen moderner sind, als seine es waren. Ich kann mir aber vorstellen, wenn ich mit meiner heutigen Sicht des Idomeneo an ihn herangekommen wäre, hätte er ein Problem gehabt. Er hat Ballett in der Oper gehasst und grundsätzlich abgelehnt. Aber man muss hier ein Ballett haben. Bei Schaaf wusste ich dann schon mehr, aber es war mir noch immer unmöglich, das, worum es bei diesem Stück wirklich geht, zu realisieren. Daher lag es für mich immer „ungelöst“ da. Alle anderen Stücke, auch wenn ich nicht immer ganz einverstanden war, sind doch irgendwie „gelöst“.

Standard: Wie ist die Zusammenarbeit mit Ihrem Sohn Philipp Harnoncourt, der die Co-Regie macht?

Harnoncourt: Gott sei Dank habe ich mich dazu entschlossen, es gemeinsam mit meinem Sohn zu machen, weil er sehr viel Erfahrung auf technischem Gebiet hat. Er war lange technischer Chef beim Tanztheater. Dann hat er in Deutschland großartig Hoffmann, Zauberflöte u.a. und in Wien Marais' Alcione inszeniert. Er hat eine sehr ähnliche Herangehensweise in der Vorbereitung. Ich war sehr froh, dass er mitmacht. Die Verantwortung werde ich auf mich nehmen, wenn Not am Manne ist, aber an dem, was gelingt, ist er ebenso verantwortlich wie ich. Wir sind gemeinsam sehr gut vorbereitet, und er versteht die Musik. Ich kann mit ihm über Akkorde und Instrumente sprechen. Das ist nicht bei allen Regisseuren möglich.

NIKOLAUS HARNONCOURT

Tanda de entrevistas dedicada a mi compositor preferido, descendiente por cierto de Carlos III.
Si encuentro algún retrato de su antepasado el emperador Leopoldo II lo cuelgo: él y Harnoncourt son clavaditos.

El TRISTAN UND ISOLDE de CARLOS KLEIBER

COPIO Y PEGO UN TEXTO QUE ME HA GUSTADO SOBRE ESTA ÓPERA, LA PRIMERA QUE ME COMPRÉ SIENDO UN ADOLESCENTE (CON 14 AÑITOS) EN ESTA MISMA VERSIÓN.


La reedición por parte de Deutsche Grammophon de la grabación del Tristán e Isolda de Wagner que realizara el mítico director Carlos Kleiber puede ser una ocasión para recordar lo que significó aquel maestro, desaparecido el pasado año 2004, en la interpretación del único título wagneriano que tuvo en su exiguo repertorio. Y también, por desgracia, para recordar cómo muchas veces las posibilidades de realizar una grabación de elevado nivel artístico chocan contra consideraciones de mercadotecnia que imponen un resultado más mediocre con el pretexto de una mayor "comercialidad" del producto.


Se conocen hasta el momento seis grabaciones en vivo del Tristán por Carlos Kleiber, procedentes de todos los teatros donde lo dirigió, y a través de ellas podemos seguir la apasionante trayectoria del aún joven director que antes de cumplir los 40 años (finales de los 60) ya había deslumbrado al mundo. Todas ellas tienen en común que su Isolda es la (no excesivamente famosa) soprano alemana Catarina Ligendza.

En la primera grabación, de 1973 y con sonido que deja mucho que desear, procedente de la Ópera de Stuttgart, Tristán es Wolfgang Windgassen en su último año de vida. Luego encontramos su presentación de la Ópera de Viena, aquel mismo año, con un tosco Hans Hopf, también en declive, como Tristán; aunque el reparto está muy por debajo de la batuta, la parte orquestal es absolutamente inenarrable, y debió serlo mucho más para los que lo presenciaron en vivo. A continuación tuvo lugar su triunfo apoteósico en Bayreuth en tres ediciones consecutivas, de 1974 a 1976, las dos primeras con un Tristán insuficiente, como era el tenor sueco Helge Brilioth, pero la última con un intérprete a la altura de lo que demanda el personaje: Spas Wenkoff. Por último, con la misma pareja Ligendza-Wenkoff encontramos el Tristán de Kleiber "exportado" a la Scala de Milán en 1978.

De todas estas grabaciones, la cima indiscutible es la de Bayreuth de 1976, la única vez que Kleiber tuvo un reparto a su altura: no sólo por Wenkoff, sino porque el buen Marke de Moll fue sustituido por el excelso de Ridderbusch, se mantuvo la gran Brangäne de Ivonne Minton, y los únicos puntos relativamente débiles que quedaban de las ediciones anteriores (la Isolda de la Ligendza, algo apurada en el registro agudo, y el Kurwenal algo tosco de McIntyre) logran aquí, al menos, no desmerecer del resto. Editado solamente en LP por el sello "Legendary", su ausencia del formato CD es inexplicable y seguramente se trate de la carencia wagneriana más grave del disco compacto.

Fue con ocasión del éxito obtenido en Bayreuth cuando la Deutsche Grammophon pensó en hacer una grabación del Tristán por Carlos Kleiber. Pero aquí las cosas comenzaron a salir mal. Para empezar, la posibilidad de grabarlo en vivo en el propio Festival (como ya había hecho la DG en 1966 con el que dirigió Karl Böhm) y, ya puestos a soñar, de que Unitel también filmara la producción de August Everding (lo que hubiera sido el primer título wagneriano filmado en Bayreuth, un honor que finalmente le correspondió al Tannhäuser de 1978) se desvanecieron cuando Kleiber abandonó repentinamente el Festival en 1976, habiendo dirigido sólo tres de las seis funciones previstas. Oficialmente se dio como causa "motivos de salud", aunque la razón bien pudo ser el rechazo de Kleiber a convertirse en icono de las protestas en contra del nuevo Anillo estrenado aquel año, dirigido por Boulez y con escena de Patrice Chéreau, y que escandalizó a muchos wagnerianos conservadores, pasando estos a aclamar ruidosamente el Tristán de Kleiber como ejemplo de lo que sí debería ser Wagner.

Una vez descartado Bayreuth, se pensó en grabar Tristán en estudio con la Filarmónica de Viena, que en la toma en vivo de 1973 había demostrado ser la orquesta ideal para la concepción que Kleiber tenía de esta obra. Pero siguieron las desgracias, pues estalló un conflicto entre orquesta y director, cuando este último abandonó de repente dos conciertos y una grabación, y fue imposible llegar a un acuerdo. La grabación se realizaría finalmente en Dresde, con la orquesta que Kleiber había dirigido en su primer registro discográfico, un famosísimo Freischütz de Weber. Comenzó en agosto de 1980, ya con tecnología digital, y se prolongaría, tras dos largas interrupciones, hasta abril de 1982. Kleiber no dirigía la obra en vivo desde las sesiones de la Scala en 1978, y nunca más la volvería a dirigir.

La pregunta es inevitable: ¿no hubiera sido más sencillo para DG pedir la cinta de la grabación de Bayreuth-1976 a la Radio de Baviera? De hecho eso ha terminado haciendo en 2003 con su siguiente "Tristán" grabado en CD, el dirigido por Thielemann: editar la propia grabación de radio a fin de reducir costes de producción. En su lugar lo que encontramos es un producto de laboratorio, ciertamente con una espléndida toma sonora digital y sin ningún ruido escénico o del público (lo que parece que también ayuda a la "comercialidad" del producto), donde ciertamente reaparece el proverbial refinamiento de Kleiber, sus "experimentos" tímbricos, su dulzura... pero no encontraremos aquí esa pasión desbordada de sus grabaciones "en vivo", como esos finales del acto 1º donde parecía que el teatro se venía abajo.

Lo peor, por desgracia, aún estaba por llegar, y es un reparto totalmente cambiado respecto a quienes cantaron la obra en vivo con el director. Después de haber obtenido su mayor triunfo con la pareja Ligendza-Wenkoff, nos encontramos con que los elegidos para encarnar a los protagonistas son la soprano Margaret Price y el tenor René Kollo. Ella disfrutaba entonces de cierta fama como intérprete de Mozart y Strauss, aunque nunca había cantado a Isolda en un teatro (y nunca lo hizo después de la grabación). Él era y sigue siendo un cantante popular en Alemania, proveniente del mundo de la opereta, que durante un tiempo (primeros años 70) fue la esperanza de los wagnerianos como el posible sucesor del gran Windgassen pero que en seguida destrozó su voz por aceptar demasiadas ofertas de cantar demasiados papeles que no le convenían.

Los resultados están a la vista, o mejor dicho, al oído: una Isolda "mozartiana", muy elegante, de gran belleza vocal pero nulo contenido dramático wagneriano, con una interpretación que le vendría bien a la Condesa de las Bodas de Fígaro. Y un Tristán de voz pequeñita, demasiado lírica, cuyo concepto del personaje puede decirse que es delicado, sensible, sin sus aspectos heroicos, y que en lo vocal da grima oírlo cuando debe llegar a la zona aguda (como en tantas ocasiones del tercer acto, donde interpretativamente su visión del personaje herido aún tiene cierto interés).

En lugar de Donald McIntyre, quien lo había cantado en Bayreuth, el Kurwenal de la grabación en estudio fue Dietrich Fischer-Dieskau, y nuevamente es de lamentar el cambio, pues si McIntyre podía pecar de algo tosco, Fischer-Dieskau, retórico y sobreactuado, y ya en declive vocal, componía un Kurwenal más achacoso que el mismo Rey Marke. Eso sí, le daba a este registro un carácter de "producto de prestigio" que hizo que la crítica pudiera proclamar que la grabación de Kleiber "recogía el testigo de la de Furtwängler". Lo que no decían es que la de Furtwängler seguía a años-luz por encima de esta.

También se sustituyó a la Brangäne de la Minton (una de las grandes en el papel, a la altura de Christa Ludwig) por otra figura que nunca lo había cantado en escena, Birgitte Fassbaender, que pese a ser una gran profesional se encuentra un tanto extraña en el papel. Incluso hay motivos para añorar el Marinero de Heinz Zednik, oyendo el de Büchner.

No es casualidad que los dos mejores cantantes del reparto (en realidad los dos únicos que están en su sitio) sean precisamente los dos "supervivientes" de los repartos que cantaron la obra en vivo con el director: Kurt Moll, un gran Marke, muy humano, que cantó el papel con Kleiber en Bayreuth y Milán, y el legendario tenor mozartiano Anton Dermota, ya presente en la representación vienesa de 1973 y que da como el Pastor toda una lección de canto a los más jóvenes.


En resumen, si un sello como Orfeo o la misma DG editaran oficialmente el Tristán de 1976, ese sería "el" Tristán por excelencia de Carlos Kleiber, el único que podría conseguir un lugar en el Olimpo de los más grandes Tristanes de la historia (donde estarían, para este comentarista, los de Furtwängler, Böhm, Reiner, Karajan-52, Jochum-53 y Barenboim). Mientras no se disponga de él, la grabación de DG permite al menos conocer una versión de gran refinamiento orquestal (de las grabadas en digital ninguna la supera en cuanto a dirección) que en su día sirvió a muchos aficionados para acercarse por primera vez a la obra, y que en esta reedición en la serie "The Originals" ha bajado su precio a la mitad (de 4 CDs de serie cara pasa a 3 CDs de serie media). El nuevo reprocesado con el sistema "Original-Image Bit-Processing" le ha dejado un sonido más denso, de mayor "peso", lo que no significa necesariamente que lo haya mejorado.

EL AUTOR DE ESTE TEXTO ES ANGEL RIEGO CUE.

HIPPOLYTE ET ARICIE, de Jean-Philippe Rameau

Hippolyte et Aricie fue la primera ópera compuesta por Rameau, en 1733, cuando el compositor contaba con cincuenta años de edad y era más conocido por su faceta de teórico de la música, por su famoso “Traité d'harmonie réduite à ses principes naturels”, publicado en 1722, usado hasta hace bien poco, así como por su “Nouveau Système de musique théorique” de 1727, que como compositor, habiendo publicado apenas unas obras para clavicémbalo.

Sin embargo, Rameau llevaba ya tiempo tratando de introducirse en los ambientes operísticos franceses, ya que en la Francia dieciochesca este género era considerado la cima de las artes escénicas y musicales. Así que buscó un libretista que le escribiera un poema que musicar. El entonces considerado mejor libretista de Francia, Houdar de la Motte no tomó siquiera en consideración su propuesta, así que, tras componer para el Théâtre de la Foire Saint-Germain y el Théâtre Italien, dedicados a la opereta y ópera bufa, y de cuyos trabajos no se han encontrado partituras hasta la fecha, finalmente el infatigable autor de poemas para la escena, el abad Pellegrin, aceptó escribir el libreto de Hippolyte et Aricie.

Ya antes de su estreno, la versión que llamaremos “original” de esta ópera generó rechazo no sólo en los ambientes musicales de París, sino incluso entre los propios intérpretes de la obra, quienes se quejaron de las dificultades que presentaba la partitura, de tal modo que el autor se vió obligado a realizar modificaciones en numerosos aspectos de la pieza aún antes de su estreno que por fin llegó en 1735 en la Académie Royale. Tantas fueron las modificaciones que los editores de Rameau se plantearon una reedición de la edición original aumentada con un suplemento dedicado a las principales modificaciones.

En las reposiciones de la ópera que tuvieron lugar en 1742 y 1757 Rameau volvió a revisar la ópera, aumentando las piezas de danza, reduciendo los recitativos, introduciendo solistas en los coros y reorquestando piezas instrumentales, arias y coros. Ya muerto el compositor, la ópera vio una última reposición en el siglo XVIII en 1767, y ya permaneció en el olvido hasta su reposición en la Opera de Paris casi un siglo y medio después, en 1908.

Como era habitual en el siglo XVIII, cada reposición suponía la creación de una obra casi nueva sobre una estructura ya dada. De ahí que en la obra de Rameau sea necesario, como en la de otros autores del XVIII, reseñar cuál de las diversas versiones de la pieza se toma como punto de partida.

El estreno no fue en absoluto un éxito clamoroso. Además de las quejas de los intérpretes, los seguidores del estilo musical instaurado por Lully se escandalizaron por los atrevimientos musicales de Rameau. El choque entre “lullystes” y “rameauners” –juego de palabras con “ramoneurs”, deshollinadores- estaba en marcha. Paradojas de la vida, en la querella de los bufones, Rameau fue postulado como el adalid de la ópera francesa y sucesor de Lully en el trono de la misma, frente a la ópera italiana.

Frente a ese rechazo, otros cantaron las alabanzas de la recién estrenada ópera. De Hippolyte et Aricie se dice que dijo André Campra que había suficiente música en esa ópera para que cualquier otro compositor hubiera hecho diez óperas y profetizar que “este hombre nos eclipsará a todos”. Otra paradoja más: cuando “Les Boréades” se retiró de cartel sin estrenarse, tras la muerte de Rameau, fue “Tancréde” de Campra, ya vetusta, la ópera elegida para sustituirla en el cartel.

El choque entre el énfasis puesto en el texto y su declamación propio de las óperas de Lully y el rol central concedido a la música en las óperas de Rameau estaba dado. Voltaire citó a Rameau al decir que “Lully necesita actores, pero yo necesito cantantes”. Cada acto contiene al menos un divertissement –un episodio de naturaleza bien festiva, bien ceremonial, que permita la intervención del coro, de cantos y danzas- que, si bien permite al compositor la concesión a la orquesta de un rol esencial, supone una pausa en el desarrollo de la trama: el culto a Diana del primer acto, los bailes de las Furias en el segundo, festejos en honor a Neptuno, caza sacralizada en el cuarto y finalmente regocijo en el final de la ópera. Así, ya tan tempranamente en su obra como en Hippolyte et Aricie Rameau aprovecha para contrastar el drama que se musica por medio de la orquesta, con sinfonías descriptivas, preludios extendidos más allá de lo establecido y la propia intervención de los coros. En ese sentido es un precursor de la ilustración del drama por medio de la música y no – o no sólo- del texto propios de Wagner.

En cuanto a los ritmos y músicas de danza, sorprenderá en la ópera, como en general en todo el barroco francés, frente a la tradición germánica de reiteración rítmica, la ubérrima libertad rítmica de que están dotadas todas las piezas en forma de danzas de la obra, característica que es típica no ya sólo de Rameau sino, como se ha dicho, de todo el barroco francés. Ello las dota de una sutilidad y ligereza ajena por completo a la reiteración esquemática de los ritmos de cada una. Ejemplo de esto puede verse casi al final de la obra en la chacona previa al aria “Rossignols amoureux” en el último acto, o en la musette, danza que toma su nombre de la vieja gaita de boto, instrumento que en su época se consideraba pastoril y poco refinado –como el tambourin, que también dio nombre a un ritmo bailable sumamente libre y muy usado por Rameau- y en las restantes piezas coreográficas.

Sin embargo, pese a ser una obra más cosmopolita que las óperas de Lully, más rica melódica y armónicamente –el trío de las parcas del acto tercero supuso una osadía armónica inusitada, hasta el punto de tener que suprimir ora pieza para las parcas-, con una orquestación infinitamente más imaginativa e innovadora, introducir en cada acto divertimentos y por ello despreocuparse más del desarrollo dramático, Hippolyte et Aricie no deja de ser una tragedie lyrique, seguidora de la tradición francesa, no sólo por la obertura -la obra principia con una obertura a la francesa, siguiendo el esquema fijado por Lully: se inicia con una sección lenta y majestuosa, le sigue otra sección con tempo más rápido y estructura fugada, para terminar con una tercera sección también lenta que parafrasea la primera; esquema fijo que fue sobrepasado por Rameau, pero no en esta su primera obertura- o la estructura en cinco actos, en este caso acompañados todavía de un prólogo, que desaparecería a lo largo de ese siglo, sino también por las demás convenciones del género: la combinación de arias, recitativos, de conjuntos y de coros con trozos coreográficos. De hecho, la historia sirvió para la creación de alguna de las más grandes tragedias del teatro francés y puede considerarse trágica, con el tema serio del triunfo del amor acompañando la tragedia, en un periodo en el que los gustos del público comenzaban a virar hacia formas más ligeras de teatro musical.

LIBRETTO

Mezcla de ópera pastoril y tragedia griega, el libreto es fiel a todas y cada una de las convenciones de la época: tema mitológico; enorme complejidad de la trama, que no se priva de ningún tópico, con reyes, reinas y príncipes, enemigos mortales y amigos inseparables, consejeros áulicos maléficos, engaños, afrentas debidamente vengadas, muertes y resurrecciones, dioses en dosis masivas, parcas, seguidores de Diana, monstruos marinos y marinos de sexo femenino y hasta una partida de caza que pasaba por allí para dotarle del toque pastoril; escasa por no decir nula evolución psicológica de los personajes, que se mantienen incólumes a pesar de los tremendos sucesos de los que son protagonistas directos; presencia por duplicado de la inevitable tormenta de la ópera francesa del XVIII a partir del Alcyone de Marin Marais y uso y abuso del juego del deus ex machina en un número prácticamente incontable de ocasiones. De hecho son personajes de la obra Diana, el Amor, Júpiter, Neptuno, Plutón y Mercurio, todos ellos con su o sus correspondientes apariciones fulgurantes.

El tema de la ópera está extraído de obras de la mitología grecolatina bien conocidas por el público de la época –no tanto por el de hoy día- como son el Hipólito de Eurípides y el Hipólito de Séneca, así como de, referencia esencial de esta ópera, la Fedra de Racine, publicada en 1677. Con respecto a estas obras, los cambios son numerosos y profundos: se le ha concedido un trato preferente a la historia de amor finalmente triunfante de Hipólito y Aricia, si bien los dos amantes tienen su contrapeso en la trama en las figuras trágicas de Teseo y Fedra –si bien el peso de ésta en la tragedia disminuye con respecto a la referencia de Racine, lo que fue muy criticado en su estreno, no deja de ser un personaje enormemente intenso y enormemente trágico-, tramas en cierto modo entrecruzadas a las que se une la escena infernal –con gran tensión dramática pero que no aporta gran cosa al desarrollo de la trama y llega a ser hasta cierto punto incongruente; sin duda lo que salió de la imaginación del abad Pellegrin es de lo peor de la estructura dramática- y la final resurrección de Hipólito y su unión a Aricia. Igualmente, la unidad de lugar de la Fedra de Racine se rompe para trasladar la acción a cinco lugares diferentes, además de verse interrumpida por los divertissements ya reseñados.

SINOPSIS

Bien, trataremos de elaborar un breve resumen de la trama en menos palabras de las que emplea el libreto, lo cual no es en absoluto tarea fácil. Veamos los personajes:

Teseo, rey de Atenas, enemigo mortal de los Pallantidas, padre de Hipólito y esposo de Fedra –quien no es madre, sino madrastra de Hipólito- con quien tiene un hijo. Amigo inseparable de Pirithous, e hijo de Neptuno. Pirithous se encuentra en el hades porque ha tratado de sacar de allí a Proserpina, a la sazón esposa de Plutón.

Fedra, segunda esposa de Teseo, hija de Pasifae, quien además de haber sido esposa de Minos, afrentó a Venus, por lo que las de su estirpe deben padecer el odio de la diosa. Enamorada secretamente de Hpólito.

Hipólito. Galán, hijo de Teseo. Hijastro de Fedra.

Aricia. Hija de … lo han adivinado, Pallas, y por tanto última de la estirpe de los Pallantidas, mortales enemigos de Teseo. Ya saben de quien le toca enamorarse –el título de la ópera puede servirles de pista- para que el drama esté servido.

Arcas: confidente de Teseo.

Enone: Confidente de Fedra.

El Amor, Diana, sacerdotisas de Diana – de las que conviene saber que tenían voto de castidad-, Tisifone, las tres Parcas, Júpiter, Neptuno, Plutón y Mercurio, ciudadanos de Troya, cazadores.

Prólogo

En el bosque de Erimantes.

Estalla una querella entre el Amor y la diosa Diana acerca de quien de los dos reina sobre le corazón de los moradores del bosque. Júpiter interviene y establece que los habitantes del bosque servirán al amor únicamente un día al año, pero al amor virtuoso. Para que no se malinterprete qué se debe entender por amor virtuoso deja claro que es el que conduce al matrimonio.

Acto primero

La escena se desarrolla delante del templo de Diana.

Aricia está a punto de convertirse en sacerdotisa de Diana por orden de Teseo, mientras sufre por su amor por Hipólito, que cree imposible. Hipólito se encuentra con ella cerca del templo y le declara su amor. Cuando las sacerdotisas llevan a Aricia al templo de Diana, ésta manifiesta que su corazón está comprometido. Fedra entra en cólera y ordena a sus guardias la destrucción del templo. Las sacerdotisas imploran la presencia de Diana, la cual se muestra y da la razón a los amantes. Fedra, solas con su confidente, da rienda suelta a sus celos: está casada con Teseo y enamorada de su hijastro Hipólito. De repente un mensajero anuncia la muerte de Teseo, quien ha entrado en los infiernos para implorar por la suerte de su amigo Pirithous. La pasión de Fedra, ya viuda, por Hipólito se convierte en legítima.

Acto segundo

El hades.

Teseo, quien ha entrado en los infiernos para rescatar a su amigo Pirithous, preso allí por un lance de faldas, se encuentra a Tisifone, una de las furias. Teseo se ofrece a cambio de Pirithous, en vano. Ya en la corte de Plutón, Teseo implora clemencia para Pirithous, otra vez en vano. Teseo implora compartir los sufrimientos de Pirithous, nuevamente pincha en hueso: sólo la muerte puede unirlos. Teseo pide morir: que va a ser que no, ya quelas parcas sólo aceptan peticiones del Destino y sólo él puede decidir el momento de su muerte. Para entrar en el hades, Teseo había invocado a su padre, quien le concedería por tres veces su ayuda. Ante la papeleta que tien ante sí, Teseo implora a Neptuno por segunda vez: que le haga volver a ver la luz del día. Pese a ser el padre del susodicho, Neptuno no se acerca por allí, y manda a Mercurio, que para eso era el mensajero de los dioses, a que lidie el problema con Plutón. Mercurio convence a Plutón, pero Teseo no abandona el hades sin oir la terrible profecía: saldrá del hades y encontrará el infierno en casa. Teseo sale de los infiernos, donde permanece Pirithous, sin que nada más se vuelva a saber de él en la ópera.

Acto tercero

El palacio de Teseo.

Una vez que nos han contado los avatares de Teseo en los infiernos, volvemos al punto en que dejamos la trama al final del acto primero.

Fedra espera a Hipólito para declararle su amor. Y empieza diciéndole que, contra lo que Fedra cree que Hipólito cree, ella no le odia. Conmovido por tanto cariño, Hipólito le informa que va a renunciar a sus derechos dinásticos a favor del hijo de Fedra y Teseo por amor a Aricia. Pero no parece que eso fuera lo que Fedra esperaba oir, y le confiesa la pasión que siente por él. Hipólito, horrorizado, reclama el castigo de los dioses para su madrastra. Ante el rechazo, Fedra coge un arma para quitarse la vida, lo que trata de inmpedir su hijastro. Y hete ahí que en esas entra en escena Teseo y pregunta –lógico- qué es lo que está pasando ahí. No obtiene sino evasivas. Teseo cree que Hipólito pretendía matar a Fedra. Su creencia se ve confirmada cuando la pérfida confidente de Fedra le insinúa que su hijo ha tratado de abusar de su esposa. Teseo pide a Neptuno su tercera y última ayuda: Hipólito debe ser castigado, y con la muerte. Las olas del mar se agitan lo que, tratándose Neptuno del dios del mar, es signo inequívoco de que ha oído la petición.

Acto cuarto

Un bosque consagrado a Diana.

Hipólito marcha al exilio. Aricia trata de retenerle. Ambos se juran fidelidad eterna y se someten a la protección de Diana. En esto aparece un grupo de cazadores que se burlan del amor por presagiar éste sólo sufrimientos. Mientras se celebra a la diosa Diana con cánticos y bailes, Neptuno, que no se ha olvidado de la petición de Teseo, manda un monstruo que sale de las aguas. Hipólito es el único que se atreve a enfrentarse a él y es engullido por las aguas. Aricia pierde el sentido. El suceso llena a Fedra, quien se ha acercado al oir las lamentaciones, de remordimientos. Declara ser la única responsable de la muerte de su hijastro y amado, y suplica a los dioses que esperen a realizar su venganza hasta que revele a Teseo la inocencia de su hijo, lo que hace..

Acto quinto

El mismo bosque del acto anterior.

Fedra, tras hacer saber a Teseo la verdad, fallece al haber ingerido veneno. Teseo quiere seguir ese mismo ejemplo. Neptuno lo impide: Hipólito, protegido por Diana, está vivo, pero Teseo será castigado a no volverlo a ver. Aricie recupera el sentido, pero su dolor es inconsolable ya que cree que Hipólito está muerto. Invocada por sus fieles, Diana aparece y les anuncia que les va a nombrar un rey del que Aricia será la esposa. El rey, faltaría más, es Hipólito al que le ha devuelto la vida. Los habitantes del bosque de Diana se congratulan y celebran la buena nueva.

Fin de la ópera.

DEI EX MACHINA EN HIPPOLYTE ET ARICIE

La trama, como se ve, está repleta de tres elementos a veces contraditorios: los divertissements que aparecen a lo largo de la pieza, interrumpiendo a veces la trensión dramática; las múltiples tragedias que acontecen para tratar en vano de impedir que el amor triunfe y, finalmente, la constante intervención de los dioses en sentido a veces contradictorio. Todo ello adobado de descensos divinos de los cielos, truenos y tormentas, cómo no.

En resumen, estas son las apariciones divinas y las tormentas que surgen en Hippolyte y Aricie, nada escasas en número como puede verse y sin que uno sólo de los cinco actos y el prólogo se vea privado de ellas.

Prólogo: Aparición de Júpiter, invocado por Diana. Júpiter resuelve la disputa con el Amor.

Acto I: Tormenta, con aparición de Diana. Diana impide el sacrificio de Aricia.

Acto II: Súplica de Teseo a favor de Pirithous a Plutón, que le dice que nones. Invocación de Teseo a Neptuno y aparición de Mercurio enviado por éste. Mercurio impide el sacrificio de Teseo por Plutón.

Acto III: Nueva invocación de Teseo a Neptuno para que vengue la afrenta que cree haber recibido de Hipólito..

Acto IV: Tormenta. Invocación a Diana ante la aparición de un monstruo marino. Diana, por una vez, no responde.

Acto V: Intervención de Neptuno para evitar la muerte de Teseo. Aparición de Diana que provoca el final feliz, en el que la virtud de los amantes tiene su premio no sólo en forma de amor, sino con un reino por añadidura.


ESTA MARAVILLOSA INTRODUCCIÓN A LA TRAGEDIA LÍRICA "HIPPOLYTE ET ARICIE" ES OBRA DE "ORFEO EUCLIDES", UN HABITAL FORERO DE "EL POMBO" Y PROBABLEMENTE EL MAYOR FAN DE RAMEAU EN ESPAÑA. ME PARECE TAN BUENA QUE ME HE TOMADO LA LIBERTAD DE APUNTÁRMELA, PARA PODER CONSULTARLA CON MAYOR COMODIDAD.
A CONTINUACIÓN SEÑALO LOS MOMENTOS QUE MÁS ME HAN GUSTADO DE DICHA OBRA:

L'amour: Régnez, aimable paix
Un suivant de l'amour: Plaisir, doux vainqueurs
Thésée: Puisque Pluton
Deuxième Trio des Parques: Quelle soudaine horreur
Pluton: Que l'Averne, que le Ténare
Phèdre: Cruelle mère des amours / Quelle plainte en ces lieux m'appelle
Aricie: Où suis-je? De mes sens j'ai recouvré l'usage
Hippolyte: Ah! Faut-il, en un jour, perdre tout ce que j'aime?

Hippolyte & Aricie: Quel bruit! Quels vents, ô ciel! / Que mon sort est digne d'envie!