domingo, 27 de septiembre de 2009

IDOMENEO, de Mozart (HARNONCOURT 1)

Sonderrolle für einen Ausnahmekünstler (6/2008)

Sechs Wochen Probenzeit hat sich Dirigent Nikolaus Harnoncourt für Mozarts Idomeneo genommen, bei dem er auch erstmals Regie führt – Nikolaus Harnonocurt im Interview

Daniel Ender, June 5, 2008

Hinter der Helmut-List-Halle, wo Nikolaus Harnoncourt mit dem Concentus Musicus, dem Arnold Schoenberg Chor und einer handverlesenen Sängerschar Mozarts Idomeneo erarbeitet, hat das Café „Kreta Beach“ für die Mitwirkenden seine Zelte aufgeschlagen.

Hier berichtet der Dirigent in einer Probenpause von den Vorbereitungen zur Premiere jener Oper, die hinsichtlich der integrierten Ballette und der Intermezzi seit der Münchener Uraufführung 1781 nicht mehr adäquat realisiert worden ist. Er sei noch ganz elektrisiert von der letzten Szene, die er gerade geprobt hat, sagt der Neoregisseur gleich bei der Begrüßung.

Standard: Wo befinden Sie sich denn gerade in den Proben?

Harnoncourt: Wir haben gerade den Schluss des zweiten Aktes gemacht. Das ist ein fast blasphemischer Dialog zwischen Idomeneo und Neptun, der vom Orchester dargestellt wird. Es ist schon eine sehr kühne Idee von Mozart, die Antworten des Gottes rhetorisch im Orchester zu verpacken. Man kann genau hören, was es sagt. Das ist eines der theatralisch und dramatisch interessantesten Accompagnato-Rezitative, die es gibt.

Standard: Ist das für den Zuhörer einfach zu verstehen?

Harnoncourt: Mozart schreibt für den Hörer, der die musikalische Sprache kennt. Wir vergessen ja immer wieder, dass man bis weit ins 19. Jahrhundert hinein fast nur zeitgenössische Musik gespielt hat. Wenn man nach Mozarts Tod Symphonien von ihm aufgeführt hat, dann hat man solche gewählt, die sich mit jenen von Beethoven vertragen, die damals das Maß der Dinge waren, und hat die Instrumentation geändert. Man war nicht der Meinung: So wie der Komponist es wollte, so ist es richtig, sondern wie man es „heute“ sagt. Das war eine ganz andere Einstellung.

Standard: Eine im Grunde ahistorische Haltung.

Harnoncourt: Ja, auch wenn man bedenkt, dass mehrere Jahrhunderte lang sämtliche Opern in zeitgenössischen Kostümen gespielt wurden. Heute sind viele beleidigt, wenn die Leute in heutiger Kleidung auf der Opernbühne stehen und einen Menschen aus einer anderen Zeit darstellen. Das gilt dann als „Regietheater“. Da müssen wir ja zurückfragen: Was wollt ihr eigentlich? Die Gesetze des Theaters sind andere als die des Alltags. Titus oder Caesar, die römischen Helden, waren früher angezogen wie Joseph II. oder Maria Theresia und haben irgendwo ein antikes Attribut gehabt. Die Stücke haben nicht in einer bestimmten Zeit, sie haben außerhalb der Zeit gespielt.

Standard: Was hat das für Sie für Konsequenzen?

Harnoncourt: Ich will gar nicht versuchen, eine damalige Aufführung von Idomeneo heute zu realisieren, dazu sind die Inhalte viel zu aktuell, als dass ich sagen würde, wir machen einen Museumsspaziergang. Es geht um die Inhalte, um die Substanz des Stückes, aber überhaupt nicht darum, wann es spielt. Ich könnte Idomeneo zeitlich nicht festmachen, auch nicht optisch. Man hat es damals bestimmt genau in der Zeit gespielt, in der es geschrieben wurde; aber man kann es nicht auf die heutige Zeit übertragen. Man kann nicht sagen, es soll gespielt werden, wie die Menschen jetzt sind. Ich habe nichts dagegen, wenn das gemacht wird, aber die Tatsache, dass wir ein mehrere Jahrhunderte altes Stück überhaupt spielen, ist das eigentliche historische Problem.

Standard: Heißt das, dass alles, was Sie tun, dazu dient, den Widerspruch zwischen einem modernen Zugang und dem Stück zu lösen?

Harnoncourt: Die meisten Probleme kann man nicht lösen, man kann sie nur bewusstmachen. Die großen Dramen und Kunstwerke zeigen, dass die Menschen im Grunde in den 5000 Jahren, seit sie dokumentiert sind, nichts dazugelernt haben. Wenn man über die Probleme nachdenkt, die in den ältesten abendländischen Kunstwerken geschildert werden, sind es auch unsere Probleme. Sie sind nur ein kleines bisschen verschoben. Die Kunst zeigt, was ist, und hilft dem, der sich mit ihr auseinandersetzt, zu erkennen, was ist.

Standard: Sie haben bisher sehr wenig preisgegeben, was in szenischer Hinsicht auf uns zukommt.

Harnoncourt: Das wäre, glaube ich, auch kontraproduktiv. Wir haben sehr lange an der bildlichen Realisation gefeilt, weil das normale, sagen wir: heute übliche, geometrische Bühnenbild hier überhaupt nicht passt. Rolf Glittenberg hat viele Vorschläge gemacht, bis wir zu etwas gekommen sind, das für die Halle, in der es keinen Vorhang, keinen Schnürboden und keine Versenkung gibt, passt. Das ist eine riesige Herausforderung.

Standard: Wie sehr hängt Ihre Motivation, bei „Idomeneo“ auch die Inszenierung zu übernehmen, mit dem Stück selbst zusammen?

Harnoncourt: Ich würde nie Così fan tutte oder Don Giovanni inszenieren wollen, weil diese Stücke für sich selbst sprechen. Man kann sie besser oder schlechter machen, aber es geht immer um ein verständliches Dialogstück. Bei Idomeneo geht es um ein Stück, das in der Regel missverstanden wird. Deshalb wollte ich selbst verantwortlich sein und wissen, warum es so geschrieben ist und warum ich es keinesfalls so machen will, wie ich es kenne. Daher musste es dieses Werk sein. Und es ist auch damit begründet, dass keine Gefahr besteht, dass ich mit Regie weitermache. Wem es nicht gefällt, der braucht keine Angst haben, von mir kommt nichts mehr nach in dieser Richtung.

Standard: Man kennt ja „Idomeneo“ in der kompletten Form gar nicht.

Harnoncourt: Ja, wo gibt es das, dass nach dem tragischen Abgang der Hauptperson, nach der abgeschlossenen Handlung noch ein Chormarsch, der für die Handlung nicht sein müsste, und ein Ballett von fünfzehn Minuten kommen? Wenn man das weglassen würde, ist das wie eine Amputation, wie wenn man ein Bein ausreißt. Dass auch die Intermezzi getanzt wurden, darüber besteht kein Zweifel. Die Uraufführung hat der Ballettmeister inszeniert, was auch ein Hinweis darauf ist. Idomeneo ist die einzige Oper Mozarts, die vollkommen aus dem Schema herausfällt. Sie ist die einzige italienische Tragédie lyrique und keine Opera seria, in der es eben keine großen Chöre, keine Chaconnen, kein Intermezzo gab wie hier nach dem „Ende“ des ersten und dritten Aktes. Keinen Regisseur hat bisher im Geringsten interessiert, was das bedeutet.

Standard: Konnten Sie auch jene, mit denen Sie das Werk schon gemacht haben, nicht überzeugen?

Harnoncourt: Ich habe zwei Inszenierungen musikalisch verantwortet: 1980 in Zürich mit Jean-Pierre Ponnelle und sieben Jahre später an der Staatsoper mit Johannes Schaaf. Mir ist es nicht gelungen, obwohl ich mit Ponnelle sehr eng verbunden war. Bei ihm war es sicher zum Teil mein Fehler, weil ich noch nicht so weit war, das Stück völlig zu durchschauen. Ponnelle war für mich der perfekte Mozart-Regisseur, und ich kenne keinen Regisseur, dessen Inszenierungen moderner sind, als seine es waren. Ich kann mir aber vorstellen, wenn ich mit meiner heutigen Sicht des Idomeneo an ihn herangekommen wäre, hätte er ein Problem gehabt. Er hat Ballett in der Oper gehasst und grundsätzlich abgelehnt. Aber man muss hier ein Ballett haben. Bei Schaaf wusste ich dann schon mehr, aber es war mir noch immer unmöglich, das, worum es bei diesem Stück wirklich geht, zu realisieren. Daher lag es für mich immer „ungelöst“ da. Alle anderen Stücke, auch wenn ich nicht immer ganz einverstanden war, sind doch irgendwie „gelöst“.

Standard: Wie ist die Zusammenarbeit mit Ihrem Sohn Philipp Harnoncourt, der die Co-Regie macht?

Harnoncourt: Gott sei Dank habe ich mich dazu entschlossen, es gemeinsam mit meinem Sohn zu machen, weil er sehr viel Erfahrung auf technischem Gebiet hat. Er war lange technischer Chef beim Tanztheater. Dann hat er in Deutschland großartig Hoffmann, Zauberflöte u.a. und in Wien Marais' Alcione inszeniert. Er hat eine sehr ähnliche Herangehensweise in der Vorbereitung. Ich war sehr froh, dass er mitmacht. Die Verantwortung werde ich auf mich nehmen, wenn Not am Manne ist, aber an dem, was gelingt, ist er ebenso verantwortlich wie ich. Wir sind gemeinsam sehr gut vorbereitet, und er versteht die Musik. Ich kann mit ihm über Akkorde und Instrumente sprechen. Das ist nicht bei allen Regisseuren möglich.

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