domingo, 27 de septiembre de 2009

HARNONCOURT: NEUBEWERTUNG DER TRADITION

Neubewertung der Tradition

Die fünfziger Jahre waren eine Zeit des Neuanfangs in allen Künsten, man suchte nach einer Reinigung der vom Nazismus beschädigten Tradition. Ganz deutlich war das zum Beispiel bei der damaligen neuen Musik. Die Komponisten haben mit dieser Überzeugung in die Zukunft gearbeitet, während Sie aus dem gleichen Geist heraus die Vergangenheit erforscht haben und gefragt haben: Wie kann man die Tradition neu lesen?

Auch ich habe eigentlich geglaubt, in die Zukunft zu gehen. Ich hatte das Gefühl: Mit der Musik, überhaupt mit der ganzen Kunst der Vergangenheit kann man so wie bisher doch nicht mehr umgehen. Später habe ich das auch ein bisschen von außen beobachtet und festgestellt, dass die Veränderungen in der Aufnahme von Kunst ungeheuer stark etwas unterworfen sind, das man eigentlich nur als Mode bezeichnen kann.

In den Nachkriegsjahren?

Ich meine über die Jahrhunderte hinweg. Wenn Sie um 1500 ein Möbelstück gemacht bekommen, wird das ein kostbares Möbel sein. Es wird sehr viel Geld dafür aufgewendet, dieses kostbare Möbel zu besitzen. Hundert Jahre später ist dieses Möbel nichts wert, es wird auf den Dachboden gestellt, und nochmals fünfzig Jahre später kommt es vielleicht hinters Haus, es wird als Kohlebehälter benutzt und ist wirklich nur Gerümpel. Weitere fünfzig Jahre später wird es plötzlich wieder so kostbar, dass man ein ganzes Haus dafür bekommen könnte. Wie kann das möglich sein? Wieso wechselt unsere Sicht auf die Dinge so schnell, und wodurch wechselt sie? Das bezieht sich auf alles, nicht nur auf die Kunst. Wir werten ständig neu. Das habe ich bald erkannt, und alle meine Überlegungen sind von da an ein bisschen in diese Richtung gegangen. Wieso wollen wir zum Beispiel nicht auf die großen Kunstwerke der Antike und anderer Epochen verzichten? Sie werden nie alt, doch sie werden von Generation zu Generation immer wieder anders gelesen und verstanden.

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