Werktreue und Bachstrich
Die alte Musik, wie ich sie in den vierziger, fünfziger Jahren kennen lernte, war eine Reaktion auf das, was man damals "romantischen Schwulst" nannte. Man sagte: Was sich am Ende des 19. Jahrhunderts abgespielt hat und noch weit ins 20. Jahrhundert hineinragt, ist nicht mehr echt und wird überwuchert von romantischem Schwulst. Heute bin ich ganz anderer Meinung. Ich denke, dass auch das wieder nur eine Reaktion war und nicht eine fundierte Position.
Und wie sah diese Reaktion damals aus?
Man versuchte alles zu "objektivieren". Die Musik Bachs, die auch im 19. Jahrhundert viel gespielt worden war, versuchte man nun, so neutral, so "objektiv" wie möglich wiederzugeben. Dafür prägte man den Begriff der Werktreue. Schon damals haben sich mir dabei alle Haare gesträubt. Einerseits war ich eher gegen den "romantischen Schwulst" eingestellt. Aufführungen etwa des Violinkonzerts von Tschaikowsky konnten mich als Teenager kränken; ich empfand diese Musik nicht mehr als "echt", von der Emotion her war sie mir zu zeitgebunden und zu fremd. Andererseits konnte ich nicht akzeptieren, dass Musik, die so stark an die Emotionen rührt, von all diesen Emotionen gereinigt werden, "objektiviert" werden sollte. Es gab zum Beispiel einen sogenannten "Bachstrich" für besonders trockene Spielweise, und Dynamik war überhaupt nicht erlaubt. Ich war zwar Teil dieser Strömung, opponierte aber zugleich dagegen.
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